Blutkirsche
vor einem Jahr verschwand und angeblich – laut Zeugenaussagen der Nachbarn und Kollegen von Fiori – in Italien wohnen soll. Nachfragen bei den Behörden in Italien haben aber ergeben, dass er dort sich nie gemeldet hat.
Marco grummelte: „Was bei denen nicht viel zu sagen hat.“
Anne ignorierte den Einwurf.
|188| „Zum zweiten Täter ist zu sagen: Allem Anschein nach ist es Natalie Kohl, die minderjährige Tochter des Geschädigten. Auf dem Stiel der zweiten Tatwaffe, einer Hacke, wurden noch weitere Fingerabdrücke sichergestellt, die wir bis jetzt noch nicht mit Natalie Kohls vergleichen konnten. Aber das Haar von Natalie Kohl wurde auf den sichergestellten Shorts von Harry Kohl gefunden, und eindeutig als das ihre identifiziert. Ebenso befanden sich winzige, mit bloßem Auge nicht sichtbare Blutspuren des Geschädigten Kohl auf den Sneakers der Verdächtigen. Die Sohlenabdrücke von ihren Turnschuhen stimmen mit denen am Tatort überein. Die Jeansfaser auf den Boxershorts des Ermordeten stammt eindeutig von einer Jeans der Natalie Kohl. Sie hat kein Alibi für die fragliche Zeit.
Wir sind der Auffassung, dass Wilma Fiori dem Geschädigten die tödliche Wunde mit der Axt zugefügt hat. Nur ihre Fingerabdrücke konnten eindeutig auf dieser Tatwaffe festgestellt werden. Natalie Kohls Beteiligung an dem Überfall auf ihren Stiefvater ist sicher. Aber da die durch sie zugefügte Kopfwunde nicht die Todesursache ist, müssten wir sie meines Erachtens wegen gefährlicher Körperverletzung oder versuchten Totschlags festnehmen, was aber zurzeit nicht möglich ist. Auch hier können wir erst nach der Aussage von Natalie Kohl den genauen Tathergang eruieren und die Erkenntnis gewinnen, ob sie vorsätzlich ihren Vater ermorden wollte.
Ich will jetzt auf das Motiv der beiden Beschuldigten kommen:
Da ist noch einiges unklar, aber wir wissen, dass Wilma Fiori, die damals noch Bauer hieß, einmal ihren Vater wegen Missbrauchs anzeigte.
In Harry Kohls Computerdateien fanden wir Kinderpornografie. Hier muss es einen Zusammenhang geben. Vielleicht bemerkte Wilma Fiori etwas oder wollte Natalie schützen. Oder sie wollte sich rächen, für das, was ihr in der Vergangenheit angetan wurde. Das liegt aber im Dunkeln. Wir werden es auf alle Fälle noch zu klären versuchen. Leider gab es auch bei der Durchsicht von Natalie Kohls Computer keine Information oder Hinweise auf das Motiv.
Falls die Verdächtige aufwacht, können wir sie verhören. Ich hoffe, dass wir dann den wahren Sachverhalt erfahren werden.“
„Wann ist Natalie Kohl vernehmungsfähig?“, fragte Münch.
„Wie es aussieht, liegt sie im Wachkoma. Ob sie überhaupt zu sich kommt, und wann wir sie befragen können, ist ungewiss, sorry“, erklärte Anne.
|189| „Das Ergebnis der Ermittlung ist ziemlich unbefriedigend“, sagte Staatsanwalt Sommer. „Keine Verhaftungen sind möglich und ebenso bis jetzt keine Anklage.“
Münch meldete sich zu Wort. „Aber wir haben einen Mord durch forensische Fakten aufgeklärt, wenn auch das Motiv der beiden Frauen bis jetzt nicht einwandfrei klar ist. Frau Wieland, Herr Schneller! Alle Achtung, in so kurzer Zeit! Die Untersuchung der Leiche aus Fioris Frühbeet wird wohl noch einiges zutage bringen. Für den weiteren Verlauf bitte ich alle um Geduld!“
Anne sah den zukünftigen Vorgesetzten dankbar an und fuhr fort:
„Auf den dritten Verdächtigen – Fink – will ich nur so weit eingehen, dass wir seine Handscans mit denen auf der Hacke und dem Beil verglichen haben. Die Untersuchung verlief negativ! Allerdings gab es einen AFIS-Treffer im BKA-Computer. Zwar ist Fink nicht in den Mordfall verwickelt, aber wir haben herausgefunden, dass er sehr wahrscheinlich an einem Einbruch in die Laube des Opfers vor drei Wochen beteiligt gewesen ist. Es wurde nichts entwendet, aber wir werden Fink noch vernehmen, was es damit auf sich hat.“
Berger sah zufrieden aus. Bei seiner Verabschiedung würde die Erfolgsbilanz der Abteilung stimmen.
Münch nickte nochmals anerkennend. Jochen Sommer sortierte nachdenklich Blätter, er sah irgendwie frustriert aus. Anne und Marco freuten sich über das Lob ihres zukünftigen Dezernatsleiters.
Als alle gegangen waren, und Anne ihre Unterlagen zusammenräumte, sagte sie zu ihrem Assistenten:
„Ach übrigens, es hat sich nochmals eine Frau gemeldet, unsere anonyme Anruferin – diesmal aber mit Namen – die Günther Wöhrhaus in der Anlage gesehen hat. Sie hat dort gejoggt. Es
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