Blutklingen
machen.« Tränen traten dem Alten in die Augen. »Wieso ist alles so falsch gelaufen, Tempel? Ich hatte so viele Vorteile. So viele Möglichkeiten. Keine davon habe ich genutzt. Ich habe sie verrinnen lassen wie Sand in einem Stundenglas. So viele Enttäuschungen …«
»Die meisten haben Sie sich selbst zuzuschreiben.«
»Natürlich.« Cosca atmete seufzend und stoßweise aus. »Aber das sind diejenigen, die am meisten wehtun.« Und er griff nach seinem Säbel.
Er war nicht da. Verblüfft blickte er an sich hinunter. »Wo ist mein – uh?«
Die Klinge drang vorn aus seiner Brust. Er und Tempel starrten sie an, beide gleichermaßen entsetzt, die Sonne schimmerte auf der Spitze und Blut drang schnell in das dreckige Hemd. Sworbreck ließ den Griff los und trat mit weit offen stehendem Mund einen Schritt zurück.
»Oh«, sagte Cosca und fiel auf die Knie. »Da ist er ja.«
Hinter sich hörte Tempel einen Flachbogen zischen, und dann, fast zeitgleich, einen zweiten. Er wirbelte ungeschickt herum und fiel dabei mit einem Ellenbogen in den Dreck.
Häcke stieß einen Schrei aus, und der Bogen fiel ihm aus der Hand. In der Fläche der anderen steckte ein Bolzen. Süß senkte seine eigene Waffe und wirkte erst entsetzt, dann aber sehr zufrieden mit sich selbst.
»Ich habe ihn erstochen«, murmelte Sworbreck.
»Bin ich getroffen?«, fragte Scheu.
»Das wirst du überleben«, sagte Lamm, der über die Befiederung von Häckes Bolzen strich. Er stak in ihrem Sattelhorn.
»Meine letzten Worte …« Mit einem leisen Stöhnen fiel Cosca neben Tempel im Matsch auf die Seite. »Ich hatte mir so wundervolle … Worte zurechtgelegt. Wie war das noch gleich?« Und urplötzlich zeigte er jenes strahlende Lächeln, das er beherrschte wie kein anderer, und gute Laune und beste Absichten waren in seinem zerfurchten Gesicht zu lesen. »Ah! Jetzt hab ich’s wieder …«
Dann kam nichts mehr. Exitus.
»Er ist tot«, sagte Tempel mit ausdrucksloser Stimme. »Keine Enttäuschungen mehr.«
»Sie waren die letzte«, sagte Freundlich. »Ich habe ihm gesagt, wir wären im Gefängnis besser dran.« Er warf das Beil auf die Erde und strich Buckhorms Ältestem über die Schulter. »Ihr vier könnt jetzt zu eurer Mutter reingehen.«
»Sie haben auf mich geschossen!«, kreischte Häcke und hielt sich die aufgespießte Hand.
Sworbreck rückte seine gesprungenen Augengläser auf seiner Nase gerade, als ob er kaum glauben konnte, was sich da vor seinen Augen abspielte. »Phänomenaler Schuss!«
»Ich hatte auf seine Brust gezielt«, brummte der Pfadfinder in seinen Bart.
Der Schreiber ging vorsichtig um Coscas Leichnam herum. »Meister Süß, ich frage mich, ob ich Ihnen vielleicht von einem Buch erzählen könnte, über das ich nachgedacht habe.«
»Jetzt? Ich kann mir nicht vorstellen …«
»Ein großzügiger Anteil am Gewinn würde dabei natürlich drin sein.«
»… dass ich so ein Angebot ablehnen würde.«
Kaltes Wasser leckte durch Tempels Hosenboden und umfasste seinen Hintern mit eisiger Umarmung, aber trotzdem fühlte er sich nicht in der Lage, sich zu bewegen. Wenn man dem Tod derart ins Auge sieht, geschieht das manchmal. Vor allem wenn man den größten Teil seines Lebens damit verbracht hat, so wenig Dingen wie möglich ins Auge zu sehen.
Er merkte, dass Freundlich neben ihm stand und auf den toten Cosca blickte. »Was mache ich denn jetzt?«, fragte der Feldwebel.
»Das weiß ich nicht«, sagte Tempel. »Was machen wir denn überhaupt alle?«
»Ich plane ein authentisches Porträt der Zähmung und Besiedlung von Fernland«, schwafelte Sworbreck. »Eine Geschichte, die alle Zeiten überdauert! Eine, in der Sie eine epochale Rolle gespielt haben!«
»Ich bin epochal, klar«, sagte Süß. »Was heißt epochal?«
»Meine Hand!«, kreischte Häcke.
»Du kannst von Glück sagen, dass du keinen Pfeil in die Fresse gekriegt hast«, knurrte Lamm.
Drinnen im Haus, das konnte Tempel hören, fielen die Buckhorm-Kinder unter Tränen ihrer Mutter in die Arme. Gute Nachrichten, dachte er. Eine gute Wendung der Ereignisse.
»Meine Leser werden von Ihren heroischen Taten fasziniert sein!«
»Ich fand die auch ganz faszinierend«, schnaubte Scheu. »Spätestens das heroische Ausmaß deiner Darmwinde wird im Osten kein Mensch glauben wollen.«
Tempel wandte den Blick nach oben und sah den ziehenden Wolken zu. Wenn es einen Gott gab, dann schien die Welt trotzdem genauso zu sein, als ob es keinen gab.
»Ich muss auf völlige
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