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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zwar, aber sie alterten, und
sein Gedächtnis war sehr gut. Später, dachte er noch einmal, wir
werden uns wiedersehen, Verinnia. Und dann würde sie
begreifen, dass dasselbe Blut zu haben nicht immer bedeuten
musste, von derselben Art zu sein. Später!
Sein Blick tastete müde über das Deck, das voller Toter war.
»Kannst du das Schiff allein segeln, Pirat?«, fragte er mit
leiser, kraftloser Stimme.
»Nein«, antwortete Abu Dun, »aber zusammen mit dir.«
»Dann zeig mir, was ich tun muss«, sagte Andrej und deutete
auf das Dutzend erschlagener Männer ringsum. »Das sind wir
ihnen schuldig: Bringen wir sie nach Hause!«

Odins Raben
    Der ersten gewaltigen Welle, die einer Wand aus Wasser gleich
urplötzlich aus dem Meer aufgestiegen war und das Deck der Schwarzen Gischt überspült hatte, war er durch mehr Glück als
Geschick ausgewichen; die zweite, die unmittelbar darauf folgte,
traf ihn dafür umso härter – wie eine eisige Hand, die ihm ohne
Vorwarnung ins Gesicht schlug und ihm die Luft nahm.
    Andrej klammerte sich instinktiv mit beiden Händen an dem
einzigen Mast des Seglers fest, rang würgend und hustend nach
Luft und versuchte, sich das brennende Salzwasser aus den
Augen zu blinzeln. Nichts von alledem war von sonderlichem
Erfolg gekrönt. Er bekam kaum Luft, das Deck des plumpen
Seglers schien sich unter seinen Füßen zu bewegen wie der
Rücken einer bizarren sich windenden Kreatur, die mit aller
Macht versuchte, ihren Reiter abzuschütteln, und in seinen
Ohren war ein beständiges, an- und abschwellendes Dröhnen, in
das sich jetzt auch noch ein Geräusch mischte, das sich fast wie
schadenfrohes Gelächter anhörte.
    Nein, korrigierte sich Andrej in Gedanken, nicht fast. Es war ein Lachen, und es war schadenfroh. Wütend und schneller, als
angesichts seiner augenblicklichen Lage angeraten war, wirbelte
er herum und setzte dazu an, Abu Dun zu erklären, was er von
dieser ganz speziellen Art von Humor in einem Moment wie
diesem hielt. Doch er bekam keinen Laut heraus, dafür aber
Mund, Augen und Kehle voll brennendes Salzwasser, denn er
hatte in seiner Wut nicht auf die nächste Welle geachtet, die mit
der Präzision eines Mahlwerks herangerollt kam und ihn
diesmal nicht nur von den Füßen riss, sondern ihn mit solcher
Wucht gegen den Mast schleuderte, dass bunte Sterne aus purem
Schmerz vor seinen Augen explodierten. Hilflos stürzte er auf
das Deck, schlitterte immer schneller werdend der Reling und
dem dahinter lauernden Abgrund aus kochendem schwarzem
Wasser und tosender Gischt entgegen. Halt suchend griff er
verzweifelt um sich, büßte drei oder vier Fingernägel ein, die
mit einem hässlichen Schmerz abbrachen, und seine rasende
Schussfahrt in den Tod schien nur noch schneller zu werden. Im
buchstäblich allerletzten Moment schloss sich eine gewaltige
Pranke um seinen rechten Knöchel, hielt ihn fest und zerrte ihn
mit solcher Gewalt zurück aufs Deck, dass er fürchtete, das Bein
würde ihm aus dem Leib gerissen. Etwas brach tatsächlich tief
in seiner Hüfte. Der Schmerz war nicht einmal so schlimm, wie
er erwartet hatte, doch als Abu Dun ihn mit einem kräftigen
Griff auf die Füße stellte, knickte sein rechtes Bein einfach unter
ihm weg, und er wäre erneut gestürzt, hätte der Nubier ihn nicht
blitzschnell aufgefangen, um ihn sich diesmal wie einen nassen
Sack über die Schulter zu werfen. Er trug ihn, ohne auf seine
schwächlichen Proteste zu achten, schräg gegen den Sturm
gestemmt zum Deck, bis sie die nach unten führende Treppe
erreicht hatten.
    Abu Dun zog die schwere Klappe über sich zu. Das Heulen
des Sturmes wurde zwar um keinen Deut gemildert, aber sie
entkamen wenigstens der Nässe. Abu Dun sprang die restlichen
Stufen mit einem einzigen Satz hinunter, dessen Wucht Andrejs
Zähne mit der Gewalt eines Hammerschlages aufeinanderprallen
ließ und einen grellen Schmerz durch seine Kiefer jagte, um ihn
dann auf das einzige schmale Bett, das es in der winzigen Kajüte
gab, zu werfen. Sofort versuchte Andrej, sich in die Höhe zu
stemmen, doch der jähe Schmerz in seiner Hüfte verursachte
ihm Übelkeit.
    »Bleib liegen, bis dein Bein wieder in Ordnung ist«, knurrte
Abu Dun. »Ich bin gleich zurück.« Und damit fuhr er auf dem
Absatz herum, lief zur Treppe und war einen Augenblick später
in einem kurzen Aufflackern greller Blitze und silberfarbener
Regenschleier verschwunden.
    Erschöpft ließ sich Andrej wieder zurücksinken,

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