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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schloss die
Augen und konzentrierte sich für die nächsten Minuten ganz auf
das, was Abu Dun ihm geraten hatte: Mit ein paar einfachen
Übungen zwang er sein Herz und seinen keuchenden Atem, sich
wieder zu beruhigen, drängte den pochenden Schmerz so weit
an den Rand seines Bewusstseins, dass er ihn zwar noch spürte,
er aber keine Wirkung mehr hatte, und lauschte in sich hinein.
Seine Hüfte war nicht gebrochen, wie er im allerersten Moment
gefürchtet hatte, sondern nur ausgerenkt und übel geprellt;
nichts, womit sein nahezu unverwundbarer Körper nicht binnen
kürzester Zeit fertig werden konnte.
    Dennoch machte sich Andrej nichts vor: Es war knapp
gewesen. Abu Dun hatte ihm aller Wahrscheinlichkeit nach
gerade das Leben gerettet, und auch, wenn dies mittlerweile zu
einer lieben Gewohnheit zwischen ihnen geworden war –
Andrej hatte schon vor einem Jahrhundert aufgehört, Buch
darüber zu führen, wer nun eigentlich mehr in wessen Schuld
stand – hätte es heute durchaus übel enden können. Nahezu unverwundbar bedeutete leider Gottes nicht, vollkommen unverwundbar zu sein. Abu Dun und er waren Wesen, deren
Leben womöglich noch Jahrtausende zählen würde, mindestens
aber Jahrhunderte, und bis auf eine Kanonenkugel, die ihnen die
Köpfe abriss, oder einen Speer, den man ihnen ins Herz stieß
(und darin stecken ließ), gab es nicht allzu viel, was sie töten
konnte.
    Vielleicht aber wurde dies nun von einem seit zwei Tagen
tobenden Höllensturm und einem außer Rand und Band
geratenen Ozean, der mit fünf Meter hohen Wellen auf ein kaum
halb so großes Schiff einprügelte, vollbracht.
    Aber ihre Reise hatte ohnehin von Anfang an unter keinem
guten Stern gestanden. Abu Dun hatte Recht gehabt, gestand er
sich widerwillig ein. Sie hätten nicht hierherkommen sollen,
nicht mit diesem Schiff, nicht auf diesem Meer und nicht in
dieses kalte, nasse Land am Ende der Welt.
    Abu Dun und er hatten es sich seit weit mehr als einem
Menschenalter zur Aufgabe gemacht, andere Arten zu jagen, die
ihre übermenschlichen Kräfte missbrauchten, um Angst und
Schrecken zu verbreiten und nach Macht und Reichtum zu
greifen. Sie waren der Spur eines Ungeheuers von Italien aus bis
in ein finsteres, kaltes Dorf an der nördlichsten Küste der
bekannten Welt gefolgt, einer Spur aus Tod und Blut und Leid,
die selbst die beiden hartgesottenen Dämonenjäger erschüttert
hatte. In dem sturmumtosten Dorf an der Küste jedoch waren sie
nicht auf das gesuchte Ungeheuer gestoßen, sondern mitten in
einen Krieg hineingeraten, der sie nichts anging und dessen
wahren Grund sie bis heute nicht herausgefunden hatten. Jetzt
waren sie auf dem Weg, um Tote nach Hause zu bringen, die
von ihrer Hand gestorben waren. Das war das Mindeste, was sie
nun noch für die fast zwei Dutzend Männer tun konnten.
    Vielleicht, dachte er finster, war ja alles, was seither
geschehen war, die gerechte Strafe der Götter für das, was sie
getan hatten.
    Aber reichte denn ein ganzer sturmgepeitschter Ozean nicht
aus, um das Blut von ihren Händen zu waschen?
Abu Dun kam zurück. Der riesige Nubier wankte vor
Erschöpfung, und sein Atem ging unregelmäßig und pfeifend.
Sein schwarzer Mantel klebte nass und schwer an seinem
Körper, und der Sturm hatte ihm offenbar den Turban vom Kopf
gerissen, den er jetzt wie einen nassen Lappen auswrang.
»Wo bist du gewesen?«, fragte Andrej, während er sich mit
mehr Mühe, als er sich anmerken lassen wollte, auf die Ellbogen
aufrichtete.
»Ein wenig an Deck spazieren«, antwortete Abu Dun. »Du
solltest das auch tun. Glaub mir, es gibt nichts Schöneres als
einen lauen Sommerabend an Deck eines Schiffes.« Er grinste
freudlos und wrang weiter seinen Turban aus. »Allerdings hat
der Wind ein bisschen aufgefrischt, das muss ich zugeben.«
»Und was hast du wirklich gemacht?«
Abu Dun hob die Schultern. »Das Wenige, was ich konnte«,
antwortete er, während er den immer noch nassen Turban um
seinen kahlen Schädel zu wickeln begann. »… das Ruder
festgezurrt und das Segel eingeholt – oder was davon übrig ist.
Mehr können wir nicht tun. Was weiter geschieht, liegt in Allahs
Hand. Oder wer auch immer über das verfluchte Ende der Welt
bestimmt.«
Ein dumpfer Schlag ging durch die Schwarze Gischt, und das
Schiff legte sich schwerfällig auf die Seite und richtete sich
noch schwerfälliger wieder auf; als habe es Abu Duns Worte
gehört und reagiere darauf. Abu Dun zog eine

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