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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gesamte Reise veranschlagt
hatte. Unglückseligerweise war das jetzt zwei Tage her, und aus
dem anfangs noch harmlosen Sturm war ein Inferno geworden,
das mit der Zeit nicht schwächer, sondern mit jeder Stunde
stärker und stärker wurde. Es kam Andrej wie ein Wunder vor,
dass die Schwarze Gischt nicht längst gekentert oder von einer
der monströsen Wellen, die auf sie einhämmerten, zerschmettert
worden war.
Er setzte dazu an, seine düsteren Gedanken in noch düsterere
Worte zu kleiden, da erlosch der Sturm über ihren Köpfen.
    Der Himmel war schwarz und sternenklar; ein mattes Tuch aus
Samt, in das ein gelangweilter Gott unzählige winzige Löcher
gestochen hatte, durch die das Licht der Sterne schimmerte. Der
Wind war erloschen, als wäre der höllische Sturm nicht mehr als
ein böser Spuk gewesen, und das Meer, das noch vor
Augenblicken gekocht hatte, lag nun flach wie eine endlose
Ebene aus gehämmertem schwarzem Kupfer da. Selbst der
Regen hatte aufgehört, und es war fast unheimlich still. Hätte
das Deck nicht vor Nässe geglänzt und wären die
zerschmetterten Spieren und die zerfetzten Segel nicht gewesen,
die über ihren Köpfen von den Rahen hingen, hätte man die
letzten Stunden für nichts als einen bösen Traum halten können.
    Aber böse Träume ließen keine Masten zerbersten,
zerschmetterten keine Reling und rissen keine Segel in Fetzen.
»Was … was bedeutet das, Abu Dun?«, murmelte Andrej
verstört. Der Klang seiner eigenen Stimme erschreckte ihn. Sie
hörte sich dumpf an, auf eine Furcht einflößende Art flach, als
fehle etwas Wesentliches, um den Lauten die Tiefe einer
menschlichen Stimme zu geben.
»Sag du es mir, Andrej«, antwortete der Nubier. Auch seine
Stimme klang seicht und … falsch. »Du bist der Hexenmeister.«
Andrej warf ihm einen irritierten Blick zu. Abu Dun ließ kaum
eine Gelegenheit aus, ihn Hexenmeister zu nennen, was der
Wahrheit zwar beunruhigend nahe kam, zugleich aber auch weit
von ihr entfernt war. Normalerweise belächelte Andrej diese
gutmütige Frotzelei, oder tat sie allenfalls mit einer spöttischen
Bemerkung ab.
Jetzt und hier … machte sie ihm Angst.
Irgendetwas stimmte nicht. Das Gefühl war zu bizarr, um es in
Worte zu fassen, zugleich aber auch zu intensiv, um es als bloße
Einbildung abzutun, zumal er spürte, dass es dem Nubier ebenso
erging wie ihm. Für einen Moment war ihm, als blicke er in eine
fremde, düstere Welt, der etwas fehlte, was er nicht benennen
konnte, was aber dennoch ungemein wichtig war.
Während Andrej noch vergeblich versuchte, seine verwirrenden Empfindungen im Geiste in Worte zu kleiden, sog Abu Dun
plötzlich scharf die Luft zwischen den Zähnen ein und griff so
kräftig nach seinem Arm, dass Andrej überrascht einen
Schmerzenslaut von sich gab.
» Andrej! «
Andrejs Blick folgte der erschrockenen Geste, die der schwarz
gekleidete Hüne mit der freien Hand machte, und auch seine
Augen wurden groß vor Staunen. Auf der obersten Spiere waren
zwei … Schatten erschienen. Vögel? Andrej war nicht sicher,
denn es war ihm aus irgendeinem Grund nicht möglich, sie mit
Blicken zu erfassen – als betrachte er etwas, was nicht wirklich
zu dieser Welt gehörte, sondern nur seinen Schatten aus einer
anderen, düstereren Sphäre herüberwarf.
»Sind das … Möwen?«, murmelte er, während er Abu Duns
Hand abstreifte, ohne es überhaupt zu bemerken.
» Möwen « , antwortete der Nubier betont langsam, »sind im
Allgemeinen nicht schwarz, Hexenmeister.« Von der Höhe des
Mastes herab erscholl ein misstönendes Krächzen, wie um seine
Worte zu unterstreichen. » Die da sind schwarz.«
»Hier ist im Moment alles schwarz«, flüsterte Andrej mit
leiser, belegter Stimme – womit er Recht hatte. Auch nachdem
das Unwetter auf so unheimliche Weise und mit noch
unheimlicherer Schnelligkeit aufgehört hatte, war es nicht heller
geworden. Die Sterne spendeten nur spärliches Licht, und – es
war seltsam; er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie bei
Neumond losgesegelt waren – am Himmel stand kein Mond.
Die Nacht war so dunkel, dass es schien, als wäre jede Farbe aus
der Welt gewaschen.
Dennoch waren die Silhouetten der beiden unheimlichen
Besucher unverkennbar.
Es war Abu Dun, der in Worte fasste, was Andrej mit einer
immer stärker werdenden Furcht erfüllte, die keinen Grund hatte
und die er sich nicht erklären konnte, gegen die er aber fast
hilflos war. »Sind das … Raben? Bei

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