Blutkrieg
Pflanzenteppich
bedeckt, und in einiger Entfernung wuchsen sogar Bäume,
zwischen denen sich der Lauf eines dampfenden Baches
schlängelte, gespeist vermutlich von einem der zahllosen
Geysire, von denen Lif gesprochen hatte.
Das Bild war unheimlich und faszinierend zugleich, und doch
spürte Andrej noch mehr: Das Gefühl, geradewegs in eine Falle
zu laufen, verdichtete sich nun zur Gewissheit. Es war ganz
offensichtlich, das hier etwas nicht stimmte.
Lif machte sich nun keine Mühe mehr, sich zu ihnen
umzudrehen oder ihnen etwas zuzurufen. Er eilte hastig die
Treppenstufen empor, strauchelte, fing sich dann wieder, und
hielt auf den Eingang zu, aus dem, wie auch aus den Fenstern,
warmes gelbes Licht fiel. Abu Dun war ihm jetzt so dicht auf
den Fersen, dass sein Schatten den Jungen einholte und wie eine
riesige fingerlose Hand nach ihm zu greifen schien.
Andrej beschleunigte seine Schritte, aber er war trotzdem nicht
schnell genug, denn der Junge hatte die Tür bereits erreicht,
stieß sie auf und verschwand im Inneren des Hauses, dicht
gefolgt von Abu Dun. Andrej hörte einen spitzen Schrei, dann
einen dumpfen Laut, der von Abu Dun stammte, und danach ein
Poltern und Scheppern, als bräche hinter der Tür ein ganzes
Gebirge zusammen.
Vielleicht war es auch nur Abu Dun.
Andrej zog noch im Laufen sein Schwert. Die Treppenstufen
waren erstaunlich hoch, trotzdem nahm er immer gleich zwei
auf einmal. Die Kampfgeräusche aus dem Haus wurden lauter,
und er glaubte jetzt auch Schreie zu hören. Mit einem Satz
rammte Andrej die Tür auf. Sie prallte mit einem dumpfen Laut
gegen etwas Weiches, das einen keuchenden Schmerzenslaut
hören ließ. Andrej achtete nicht darauf, sondern sprang durch
die halb geöffnete Tür und stolperte noch zwei, drei Schritte
weiter in den Raum hinein, bevor er begriff, dass das sich ihm
bietende Bild nicht das war, was er erwartet hatte. Es war nicht
Abu Dun, auf den er hinabsah, und auch die Angreifer fehlten,
von denen er sicher gewesen war, einige mit zerschmetterten
Knochen am Boden liegen zu sehen. Stattdessen starrte er auf
jemanden, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Es war ein Mädchen, das in der Mitte des Raumes stand und ihn
aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ihre Erscheinung war so
unwirklich, dass sie ganz unzweifelhaft in dieses sonderbare
Haus passte.
Das Gewand, das sie trug, leuchtete in beißenden Grüntönen,
die in den Augen schmerzten. Die gleiche Farbe spiegelte sich in
ihren Augen, tanzte über ihr strähniges Haar und verschmolz mit
ihrem schmalen Gesicht, sodass es für Andrej unmöglich war,
ihre Gesichtszüge zu erkennen … Er wollte einen Schritt auf sie
zumachen und die Hand nach ihr ausstrecken, aber bevor er
dazu kam, hörte er hinter sich ein schabendes Geräusch, dann
knallte die Tür mit solcher Wucht ins Schloss, dass der
Fußboden zitterte.
Mit erhobenem Schwert wirbelte er herum. Es war Abu Dun,
in dessen Gesicht er starrte. Der schwarze Hüne wirkte alles
andere als erfreut, ihn zu sehen. »Verdammt noch mal!«,
herrschte er ihn an, während er sich den nackten Schädel rieb.
»Kannst du nicht besser aufpassen?«
Andrej starrte ihn einen Moment lang verwirrt an, dann drehte
er sich wieder um. Das Mädchen war verschwunden. Sie beide
waren allein in einer geräumigen Eingangshalle. Zwei Truhen
standen an den Wänden, und weiter hinten war ein Tisch
aufgebaut, auf dem sich Dinge stapelten, die Andrej im
Halbdunkel nicht erkennen konnte. An der gegenüberliegenden
Wand hingen zwei gewaltige, gekreuzte Schwerter, die so
schwer aussahen, als könne nicht einmal Abu Dun sie
hochheben. Ansonsten war der Raum leer.
»Ich wäre dir äußerst dankbar, wenn du das nächste Mal nicht
wie ein durchgedrehter Wasserbüffel hier hereinstürmen und mir
die Tür gegen den Kopf knallen würdest«, sagte Abu Dun, als er
neben ihn trat.
»Ich merke es mir, wenn wir das nächste Mal in ein
Gespensterhaus eindringen, das in einer Eishöhle hinter dem
Ende der Welt liegt, versprochen.« Andrej schüttelte
argwöhnisch den Kopf. »Wo ist das Mädchen?«
»Welches Mädchen?« Abu Dun rieb sich demonstrativ über
die Beule, die auf seiner Stirn wuchs, und drehte sich einmal um
seine eigene Achse. »Ich sehe hier niemanden.«
»Ich auch nicht«, gab Andrej ungehalten zurück. »Deswegen
frage ich ja auch. Wo ist sie?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, von wem du sprichst«,
sagte Abu Dun gereizt.
»Und die
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