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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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alles, was wir brauchen. Wasser, Essen und
Quellen, deren Wasser so heiß ist, dass sie Euch verbrühen
würden, wolltet Ihr Euch daran erwärmen.«
Abu Dun wirkte weder überzeugt noch erleichtert; plötzlich las
Andrej den Ausdruck neu erwachenden Misstrauens auf seinem
Gesicht. »Wie kommt es, dass du unsere Sprache so gut
sprichst?«, wollte Abu Dun wissen.
Der unkindliche Ernst verschwand schlagartig vom Gesicht
des Jungen und machte wieder Schrecken und mühsam
unterdrückter Furcht Platz, als hätte er Angst, geschlagen zu
werden. »Die … die dunklen Männer«, stammelte er. »Die, von
denen … von denen ich Euch erzählt habe.«
»Ja?«, fragte Andrej, als der Junge nicht weitersprach, sondern
sich auf die Unterlippe biss und beide Hände zu Fäusten ballte,
als koste es ihn all seine Kraft, die Tränen zurückzuhalten.
»Sie … sie haben mich und meine Schwester …« Er brach ab,
als seine Stimme endgültig versagte. Sein Blick flackerte, und
seine Augen schimmerten nass.
Seltsam – Andrej spürte, dass seine Tränen echt waren, und
dennoch wollte es ihm einfach nicht gelingen, seinen Worten zu
glauben.
»Was?«, knurrte Abu Dun. »Was haben sie mit dir und deiner
Schwester gemacht, Junge?«
»Nichts Schlimmes«, versicherte Lif hastig, aber in einem
Tonfall, der das genaue Gegenteil besagte. »Ihr … Ihr könnt
euch selbst überzeugen«, fuhr er fort. Er tat einen tiefen,
keuchenden Atemzug, der ihm nicht half, seine Angst zu
besiegen, denn obwohl seine Stimme sicherer klang, war sein
Blick weiter furchtsam. Sein Körper straffte sich. »Ich bringe
euch zu unserm Haus. Zum Haus meiner Sippe.«
»Deiner Sippe?«, vergewisserte sich Abu Dun und tauschte
einen weiteren beunruhigten Blick mit Andrej.
»Ja«, bestätigte der Junge. Stolz blitzte in seinen Augen auf,
erlosch aber sofort wieder. »Ihr werdet sehen, es ist das größte
Haus, das es je gegeben hat, seitdem der erste Mensch die Reise
über das große Meer gewagt und seinen Fuß auf diese Insel
gesetzt hat.«
Was immer das bedeuten mochte, dachte Andrej. Aber er
sprach es nicht aus.
    Das unheimliche grüne Licht schien Abu Dun und den Jungen
aufzusaugen, während sie vor ihm hergingen. Andrej folgte ihnen
in größer werdendem Abstand. Er fühlte sich immer unwohler, je
weiter sie vordrangen, und verlangsamte, ohne es selbst zu merken,
seinen Schritt. Die Umgebung … machte ihm Angst, und ihm
schien, als hörte er plötzlich noch einmal Abu Duns Worte: Vielleicht sind wir ja tot, und das hier ist die Hölle. Natürlich
glaubte Andrej das nicht wirklich; er wollte es nicht glauben. Aber
mit diesem Jungen stimmte etwas nicht, und dasselbe galt für den
unheimlichen Eisdom, der sie umgab. Die Höhle war keine Höhle
im eigentlichen Sinne, sondern der Eingang zu einem gewaltigen,
tief unter der Erde gelegenen Labyrinth aus Eis. Die Wände flohen
regelrecht vor ihnen; sie wichen zurück, je näher sie ihnen kamen,
um sich dann wieder hinter ihnen zusammenzuziehen, als wollten
sie die Besucher verschlingen. Es kam Andrej vor, als folgten sie
dem Jungen in das weit aufgerissene Maul eines Drachen.
    Und das war noch nicht alles. Die flüchtigen Schatten, die
Andrej bereits zuvor so erschreckt hatten, umtanzten sie immer
noch. Wann immer Andrej versuchte, einen von ihnen mit
seinem Blick einzufangen, löste er sich wie ein flüchtiger Spuk
auf, nur um unmittelbar darauf in grünen Wirbeln neu zu
entstehen. Er erwartete jeden Moment, dass sich die tanzenden
grünen Gespenster zu einer Gestalt verdichteten, die ihn
angreifen würde.
    Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen begann das
Schattengewirr aus Wurzelwerk in den Wänden dünner zu
werden und verschwand schließlich ganz. Dafür gewahrte er
jetzt andere, formlose Gestalten, die das Eis für ewig
eingeschlossen hatte. Etwas in ihm weigerte sich, sie genauer zu
betrachten. Und doch musste er ab und zu hinsehen, fast gegen
seinen Willen. Hinter den grauen Schlieren in Eis verbargen sich
Formen, die sich seinem Blick auf dieselbe unheimliche Weise
zu entziehen versuchten, wie die tanzenden Schemen zuvor.
Waren das … Körper? Eine Hand, nach einem Halt
ausgestreckt, den sie niemals erreichen würde? Ein Krieger,
erstarrt in einer Bewegung, die er vor tausend Jahren begonnen
hatte? Andrej hatte plötzlich das Gefühl, über einen Friedhof zu
schreiten oder sich im Inneren eines gewaltigen, eisigen Grabes
zu befinden.
    Er riss seinen Blick fast gewaltsam von den

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