Affaere im Paradies
1. K APITEL
Ein Tollhaus. Ständig klingelten Telefone. Menschen schrien, murmelten oder fluchten, saßen irgendwo herum oder waren ständig in Bewegung. Aus allen Ecken kam das Geräusch klappernder Tastaturen, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit angeschlagen wurden. Die Luft war erfüllt vom Geruch abgestandenen Kaffees, frischen Brotes, von Tabakqualm und Schweiß. Ein Narrenhaus? Etliche der Anwesenden hätten dieser Bezeichnung für den Raum des ›New Orleans Herald‹ zugestimmt, besonders zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses.
Die meisten der Angestellten achteten nicht weiter auf das Chaos, es war so selbstverständlich wie das Atemholen. Es gab Augenblicke, da ein jeder von ihnen von seinen eigenen täglichen Krisen oder Triumphen den Kopf zu voll hatte, als dass er die Dutzend anderen Krisen und Triumphe, die hier noch passierten, mitbekommen hätte. Nicht dass man gegeneinander gearbeitet hätte. Sie alle hingen an ihrer exklusiven Schar von Journalisten. Aber jeder Einzelne würde sich auf seine oder ihre eigene Story, seine eigenen Quellen und seinen individuellen Stil konzentrieren und eifersüchtig darüber wachen. Ein erfolgreicher Zeitungsreporter lebt von der Schnelligkeit, dem Durcheinander und einer heißen Geschichte.
Matthew Bates hatte sich ganz dem Zeitungswesen verschrieben. Er hatte es von der Pike auf gelernt, als Zeitungsjunge auf der Lower East Side bis hin zum Reporter. Er hatte sich um den Kaffee gekümmert, Kopien gemacht, Nachrufe verfasst und über Blumenausstellungen berichtet.
Die Fähigkeit, eine Story aufzuspüren und sie erfolgreich zu vermarkten, hatte er nicht auf seinen Journalistiklehrgängen gelernt … er war damit geboren worden. Die Jahre seiner Seminare und Studien und seine Praxis hatten nur den Stil und die Technik seines Talentes verfeinert, das ebenso zu ihm gehörte wie die Farbe seiner Augen.
Im Alter von dreißig Jahren neigte Matthew gelegentlich zum Zynismus, besaß aber genügend Humor für das Auf und Ab des Lebens. Er mochte die Menschen, ohne sich Illusionen über sie zu machen. Er begriff und fand sich damit ab, dass Menschen von Grund auf lächerlich waren. Wie hätte er sonst in einem Raum voller Verrückter in einem Beruf arbeiten können, der ständig Menschen anprangerte und ausnutzte?
Vor einem Jahr hatte er New York verlassen, um diese Position beim ›Herald‹ anzunehmen, weil er eine Abwechslung wollte, vielleicht sogar brauchte. Ruhelos, dachte er jetzt bei sich. Er war ruhelos auf der Suche nach – irgendetwas. Und New Orleans war eine ebenso harte und spannendere Stadt wie New York, nur viel eleganter.
Er war Kriminalreporter, und sein Job gefiel ihm. Es war eine raue Welt, und Mord und Verzweiflung waren ein Teil davon, den man nicht ignorieren konnte. Der Mord, über den er gerade geschrieben hatte, war sinnlos und grausam gewesen. Aber so war das Leben – und so waren seine Geschichten. Jetzt verdrängte er den Tod des achtzehnjährigen Mädchens aus seinem Kopf. Zuallererst musste man objektiv sein, wenn man nicht einen neuen Beruf auszuprobieren gedachte. Aber er musste sich schon sehr anstrengen, um das Bild dieser Ermordeten aus seiner Erinnerung zu vertreiben.
Er sah nicht wie ein erfahrener, abgebrühter Reporter aus, und das wusste er auch. Als er noch um die zwanzig Jahre alt war, hatte ihn das sehr gestört, aber heute amüsierte er sich darüber.
Er war schlank und muskulös und fühlte sich in Jeans wohler als in Anzug. Seine Größe ließ ihn etwas schlaksig wirken. Sein dunkelblondes Haar zeigte nur selten den vorzüglichen Schnitt des guten Friseurs. Zumeist fiel es ihm in natürlichen Locken über die Ohren hinunter bis auf seinen Hemdkragen. Damit sah er noch mehr wie ein stiller, umgänglicher Mensch aus, der lieber am Strand saß als durch die Stadt raste. Mehr als eine Person hatte sich von seiner Fassade täuschen lassen, ohne den Menschen dahinter voll zu begreifen. Und wenn es dann – falls überhaupt – der Fall war, hatte Matthew seine Geschichte schon längst geschrieben.
Wenn er wollte, konnte er charmant, sogar elegant sein. Aber die sonst gutmütig dreinblickenden blauen Augen konnten vor Zorn blitzen oder, was noch gefährlicher war, seinen Gegenüber eiskalt anstarren. Hinter seiner aufgeschlossenen Art verbarg sich kalte, harte Entschlossenheit und aufbrausendes Temperament. Matthew fand sich mit einem Schulterzucken damit ab.
Mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen drehte er sich zu
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