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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und den Oberkörper in der
gewaltigen Truhe versenkte, »ist das hier das reinste
Geisterhaus.«
Andrej setzte zu einer Antwort an, doch irgendwo in den
Schatten des großen Raumes knarrte etwas, und als er überrascht
herumfuhr, bemerkte er eine Tür, die sich so perfekt in das
Muster der hölzernen Wände einpasste, dass er sie bisher noch
nicht bemerkt hatte. Jetzt begann sie sich langsam und mit dem
Knirschen uralter Scharniere zu öffnen.
Auch Abu Dun fuhr so schnell aus der Truhe hoch, dass sein
Hinterkopf unsanft gegen ihren Deckel krachte. Der
Krummsäbel erschien wie hingezaubert in seiner Hand. Andrej
hingegen machte einen Schritt zurück, um sowohl den Eingang
als auch die so plötzlich erschienene Tür im Auge zu behalten;
erst dann zog auch er seine Waffe.
»Entschuldigt«, drang eine aufgeregte Stimme hinter der Tür
hervor, noch bevor ihr Besitzer zu sehen war. »Ich musste noch
schnell mit meiner Schwester sprechen. Seit sie hier waren, hat
sie furchtbare Angst vor allen Fremden.«
Lif drückte die Tür ganz auf, machte einen Schritt und starrte
Andrej und Abu Dun mit einer Mischung aus Staunen und neu
aufkeimendem Schrecken an. »Warum … warum habt ihr eure
Schwerter gezogen? Niemand wird euch hier etwas tun!«
»Nein?«, knurrte Abu Dun. Er senkte seinen Krummsäbel ein
wenig, machte aber keine Anstalten, ihn wegzustecken. »Das
scheint mir auch so zu sein. Zumal niemand hier ist, der uns
etwas tun könnte.« Sein Tonfall wurde lauernd. »Oder kannst du
uns vielleicht verraten, wo die übrigen Mitglieder deiner …
Sippe sind – oder wohnst du vielleicht ganz allein mit deiner
Schwester hier?«
»Nein, bestimmt nicht!«, versicherte Lif hastig. Der Blick des
Jungen wanderte angstvoll zwischen Abu Dun und Andrej hin
und her, dann aber gab er sich einen sichtbaren Ruck und trat
weiter in den Raum herein. »Ihr … ihr könnt euch ruhig ein paar
Kleidungsstücke aus der Truhe nehmen«, sagte er, an Abu Dun
gewandt. »Es ist genug da. Die vom dicken Ra-, äh, vom hünenhaften Ragon, wollte ich sagen, spannen bestimmt nicht
über Eurem …« Er suchte einen Moment nach Worten und
rettete sich schließlich in ein verlegenes Lächeln, während er
sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr. »Ich
meine: Sie könnten Euch trotz Eurer stattlichen Statur passen.«
Abu Dun tat sein Bestes, um ihn noch finsterer anzustarren,
während Andrej Mühe hatte, ein Grinsen zu unterdrücken. Der
Junge trat an dem Nubier vorbei, um nun selbst Kopf und
Schultern in der Truhe zu versenken und einen Moment lang
hektisch darin herumzukramen. »Hier«, sagte er, während er
einen schweren Mantel hervorzerrte und etwas, was wie eine
Bärenmütze aussah. »Das müsste Euch eigentlich passen.«
Eine flüchtige Bewegung hinter der Tür lenkte Andrej ab. Es
ging so schnell, dass er sich zuerst nicht sicher war: Ein
grünlicher, unstet flackernder Schemen schien in den Raum
hineinzuwehen und war im nächsten Moment einfach
verschwunden, noch bevor Andrej reagieren oder auch nur
sicher sein konnte, ihn wirklich gesehen zu haben. Dennoch
bewegte er sich ein paar Schritte in die entsprechende Richtung
und hob sein Schwert. Das Flackern und Wogen erschien erneut
– und verdichtete sich schließlich zu einer schlanken,
mädchenhaften Gestalt.
Andrej riss erschrocken die Augen auf, aber das unglaubliche
Bild blieb. Vor ihm stand tatsächlich ein Mädchen. Sie war
kaum größer als Lif, aber sehr viel schlanker, und sicherlich
zehn Jahre älter; noch keine Frau, aber auch kein Kind mehr.
Gekleidet war sie in die gleichen erbärmlichen Fetzen wie der
Junge, der gerade behauptet hatte, es gäbe hier keinen Mangel
an Kleidungsstücken. Das musste seine Schwester sein. Liftrasil.
Die Namen – Lif und Liftrasil – brachten irgendetwas in Andrej
zum Klingen, aber er wusste nicht, was es war, und der Gedanke
entglitt ihm, bevor er wirklich danach greifen konnte. Auch
wenn sich Andrej nicht erklären konnte warum, war er wie
schon beim ersten Mal nicht in der Lage, ihre Gestalt mit den
Augen zu erfassen.
Und doch war diesmal alles anders.
Das Mädchen sah direkt in seine Richtung. Er begegnete dem
Blick ihrer Augen, und obwohl auch sie aus nichts anderem als
geronnenem Grün zu bestehen schienen, erkannte Andrej eine
Schwärze in ihnen, die sein Innerstes berührte und zu Eis
erstarren ließ.
Das Mädchen hob die Hand, wie um ihm zu bedeuten, dass er
still sein sollte,

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