Blutlied -1-
interessiere mich nur für Sie ... Und jetzt lassen Sie, im Namen der Hölle, die Waffe sinken und die Klingelschnur fallen. Sie werden mich weder fesseln noch sonst wie festsetzen können. Ich bin Ihnen in allen Belangen, sei es Geschwindigkeit oder Kraft, absolut überlegen. Ich habe nicht mal eine Waffe bei mir. Diesmal auch keine Laterne, denn eigentlich sehe ich sehr gut im Dunkeln. Das letzte Mal musste ich Sie blenden, junge Lady, damit Sie mich nicht zu gut sehen konnten. Heute jedoch interessiert das nicht.«
Es klopfte.
Ludwig.
»Machen wir es kurz, Frederic.« Der Eindringling trat einen Schritt zur Seite und gab die Tür frei. »Wenn Sie meine Anwesenheit verraten, drehe ich Ihrem Butler den Kopf auf den Rücken, bevor er es begreift. Danach töte ich Ihre Frau mit einem Handstreich. Sie selber werden dann die Hölle erleben. Überlegen Sie sich also gut, was Sie tun.«
Caroline fragte sich später immer wieder, wie sie an Frederics Stelle reagiert hätte.
Hätte sie dem Fremden geglaubt?
Hätte sie seine Drohungen als Bluff empfunden?
War Frederics Handlungsweise die einzig schlüssige gewesen?
Frederic hob die Waffe und schoss. Einmal, dann noch einmal pumpte er zwei Kugeln in den Körper des Fremden. Der zweite Knall hallte noch nach, als der Eindringling verschwand und auf der anderen Seite des Schlafzimmers, am Fenster, wieder auftauchte.
Ludwig riss die Tür auf. »Was ist hier los?«
»Raus!«, brüllte Frederic, der wohl im selben Moment wahrnahm, dass er einen Fehler begangen hatte. »Verschwinde, Ludwig!«
Caroline sprang neben Frederic und stieß sich ein Bein am Bettpfosten. Sie heulte vor Schmerzen auf.
Der Eindringling sauste an ihr vorbei. Sie spürte seinen Luftzug. Er stand neben der Spiegelkommode. Frederic folgte ihm. Es war ein groteskes Rennen, das nur einen Sieger kannte.
Ludwig stand im Türrahmen. Mit ungläubiger Miene verfolgte er das seltsame Schauspiel.
Caroline blinzelte und traute ihren Augen nicht.
Frederic wurde zurück geschleudert, der Schattenmann, mehr als einen Kopf größer als sein Opfer, schlug seine Zähne in Frederics Hals. Frederic versuchte, den Kopf des Monsters von sich zu lösen, vergeblich. Er gurgelte und zappelte im Griff des Ungeheuers. Über dessen Schultern hinweg starrte Frederic mit weißen, weit aufgerissenen Augen in die Dämmerung, ein verzweifelter Blick, den Caroline nie vergessen würde.
Der Raum wurde von einem bleiernen dumpfen Geruch erfüllt. Blut, Angst und etwas, das Caroline zuvor noch nie wahrgenommen hatte. Wie ein – Gewürz des Todes!
Caroline schrie.
Sie warf sich vor und krallte ihre Hände in den Rücken des Fremden. Dieser grunzte, löste seine Zähne aus Frederics Hals und wirbelte herum. Sein Gesicht war weiß, von den langen Zähnen tropfte Blut und die Lippen waren rot. Caroline wurde vom Boden hochgehoben, sie schwebte einen Herzschlag lang durch die Luft und krachte mit dem Hinterkopf an die Wand. Dort rutschte sie zu Boden.
Ein beißender Schmerz zuckte durch ihren Kopf, als hätte jemand mit dem Hammer drauf geschlagen und sie versuchte zu schreien. Kein Laut kam über ihre Lippen. Dann war der Schmerz vorbei.
Ein Blitz, ein Luftzug, ein Schatten und der Fremde war verschwunden. Um Gegensatz zu ihrer ersten Begegnung erkannte Caroline bitter und regungslos, wie es ihm gelungen war. Kein Zauber war es, sondern Geschwindigkeit. Der Fremde war schlicht und einfach blitzschnell gewesen, so schnell, dass ein normales menschliches Augen ihm nicht folgen konnte.
Frederic lag verkrümmt auf dem Teppich. Aus seinem Hals pumpte Blut, einmal, zweimal, dann hörte es auf. Sein Gesicht war erschreckend weiß. Seine Augen waren geschlossen.
Alles das hatte nur wenige Sekunden gedauert und Ludwig erwachte aus seiner Starre. Er schaute von Caroline zu Frederic, als suche er eine Entscheidung, wem er zuerst helfen solle. Dann entschied er sich für Frederic. Er drehte den Bewusstlosen auf den Rücken, schlug ihm sanft aber bestimmt ein paar Mal auf die Wangen, schüttelte den Kopf und drehte sich zu ihr, Caroline, um. Dies war der Moment, indem Caroline merkte, dass sie sich nicht bewegen konnte. Sie versuchte, ihre Beine anzuwinkeln, was nicht gelang. Ebenso wenig konnte sie ihren Oberkörper verrücken. Ihre Augen blickten zwar auf das Geschehen, aber die Wimpern waren starr.
Ludwigs Gesicht näherte sich ihr. Er legte zwei Finger auf ihren Hals. Dann suchte er ihr Handgelenk, ihren Puls. Endlich strichen seine
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