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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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bereitete. Sie wollte nicht darüber nachdenken,
was sie anfangen würde, nachdem sie es bis zum obersten
Stockwerk geschafft hätte.
    Das lederige braune Decken-Material war offensichtlich bestrebt,
die ganze Stadt zu überziehen, bis hin zu den oberen Geschossen
des World Trade Centers.
    Und das würde für Suzy McKenzie sehr wenig Raum
übrig lassen.

 
31
     
    April Ulam beschirmte die Augen, um in den Sonnenaufgang zu sehen.
Die Windmühlen von Tracy standen in dünnen Silhouetten vor
dem gelb verfärbten Himmel. Die Propeller drehten sich im Wind
und versorgten die verlassene Tankstelle, wo die Zwillinge den
Lastwagen aufgetankt hatten, mit Strom. Sie blickte zu John und
nickte wie in stummer Übereinstimmung: ja, wahrhaftig. Ein
weiterer Tag. Dann ging sie zurück in den kleinen
Lebensmittelladen, Jerrys Suche nach Proviant zu überwachen.
    Sie war viel zäher, als sie aussah, dachte John.
Verrückt oder nicht, sie hatte die Brüder in ihren Bann
geschlagen. Sie hatten die Nacht erschöpft in der Tankstelle
verbracht, nachdem sie von Livermore weniger als dreißig
Kilometer gefahren waren. Sie hatten sich schließlich für
die Route durch das zentralkalifornische Tal entschieden. April hatte
es vorgeschlagen; sie dachte, es sei am besten, die einst dicht
bevölkerten Gegenden zu meiden. »Nach allem zu urteilen,
was in Livermore geschah«, hatte sie gesagt, »kann es nicht
in unserem Interesse liegen, in San Jose oder sonstwo
steckenzubleiben.«
    Die Richtung, die sie genommen hatten, würde sie freilich
unausweichlich nach Los Angeles führen und zwingen, die Stadt zu
durchfahren oder einen Weg außen herum zu finden, aber John
hatte das nicht erwähnt.
    Wenigstens gab sie ihnen eine Richtung. Es hatte keinen Sinn zu
kritisieren, denn ohne sie würden sie noch immer in Livermore
sein und so oder so verrückt werden – wahrscheinlich auf
gewalttätige Art und Weise. John ging um den Lastwagen herum,
die Hände in den Taschen und blickte zu Boden.
    Sie würden alle sterben.
    Ihm war es gleich. Am vergangenen Abend war er sehr, sehr
müde geworden – müde in einer Weise, die Schlaf nicht
heilen konnte. Er merkte, daß Jerry genauso zumute war. Sollte
die verrückte Frau sie nur an der Nase herumführen. Wen
kümmerte es?
    Los Angeles mochte interessant sein. Er bezweifelte, daß sie
jemals bis La Jolla kommen würden.
    Jerry und April kamen mit Einkaufstüten in beiden Armen aus
dem Laden. Sie lehnten die Tüten auf der Ladefläche gegen
die Wand, und Jerry zog eine abgenutzte Landkarte aus dem
Handschuhfach des Lastwagens.
    »Auf der 580 südwärts bis zur Bundesstraße
5«, sagte er. John kletterte hinter das Lenkrad, und sie
rumpelten weiter die Straße entlang.
    Die Fernstraße war größtenteils frei von
Fahrzeugen. Aber in weiten Abständen passierten sie verlassene
oder zumindest leere Lastwagen, Personenwagen und sogar einen Bus der
Luftwaffe am Straßenrand. Sie hielten nicht an, um
Nachforschungen anzustellen.
    Die Straßendecke war trocken und sauber, und sie kamen
schnell voran. Die Hügel um die Wasserspeicher von San Luis und
Los Banos hätten grün von den Winterregen sein sollen,
waren aber von einem matten Grau, als hätten sie vor Aufbringung
einer neuen Farbe eine Grundierung erhalten. Die Wasserspeicher
selbst waren tiefgrün und still wie Glas. Nirgendwo waren
Vögel oder Insekten sichtbar. April betrachtete all dies mit
schicksalsergebenem Stolz; mein Sohn hat das zuwege gebracht, schien
sie zu denken, und obschon sie die Stirn runzelte, als sie an den
Stauseen vorüberfuhren, schien sie im großen und ganzen
nicht zu mißbilligen, was sie sah.
    Jerry war von ihr zugleich gefesselt und eingeschüchtert, und
so mochte er nichts sagen. John spürte jedoch sein
Unbehagen.
    Die Felder zu beiden Seiten der Bundesstraße 5 waren bedeckt
mit moosigen braunen Laken, die wie Plastikfolie in der Sonne
glänzten. »All die Bäume und Feldfrüchte«,
sagte April kopfschüttelnd. »Was mag mit der Ernte
geschehen sein?«
    »Ich weiß es nicht, Madam«, sagte Jerry. »Ich
besprühe die Felder bloß, ich bestelle sie
nicht.«
    »Nicht bloß die Menschen. Es hat alles
überwältigt.« Sie lächelte sinnend. »Der
arme Vergil. Hatte keine Ahnung.«
    Bei einem Rasthaus neben der Straße machten sie Pause. Die
Türen standen offen, und hinter der Kasse und im angeschlossenen
Laden lagen ein paar Haufen Kleider, aber das Gebäude war
offenbar ungestört und unverändert. Als sie nebeneinander
im Pissoir

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