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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Sinne, da sie
keine Mobilität haben und feste, wenn auch komplexe
Funktionen erfüllen; die bisher noch unveränderten
Zellen (nahezu alle Zellen in meinem Gehirn und Nervensystem
fallen in diese Kategorie); und andere, über die ich mir noch
nicht im klaren bin.
    Zusammen mag ihre Zahl über zehn Billionen betragen.
Nach grober Schätzung existieren in mir vielleicht zwei
Billionen voll entwickelte, intelligente Individuen.
    Wenn ich diese annähernde Zahl mit der Bevölkerung
Nordamerikas multipliziere, die etwa eine halbe Milliarde betragen
haben muß, gelange ich zu einer Milliarde Billionen, also in
eine Größenordnung von 10 20 . Das ist die
Zahl der intelligenten Lebewesen auf dem amerikanischen Kontinent
– wobei selbstverständlich die gesamte
vernachlässigbare menschliche Bevölkerung nicht
mitgerechnet ist.
     
    Bernard schob seinen Schreibtischsessel zurück, nachdem er
die Eintragung dem Speicher übergeben hatte. Es gab zu viel
aufzuzeichnen, zu viele Details; er verzweifelte angesichts der
Aufgabe, die Erkenntnisse und Empfindungen den Forschern
draußen auseinanderzusetzen. Nach wochenlanger Frustration und
klaustrophobischen Anwandlungen, und dann dem Versuch, die chemische
Sprache in seinem Blut zu entschlüsseln, gab es plötzlich
eine so gewaltige Überfülle von Informationen, daß er
sich außerstande sah, sie aufzunehmen. Er brauchte nur zu
fragen, und tausend oder eine Million intelligenter Wesen
organisierten sich, seine Frage zu analysieren und ausführlich
und schnell zu beantworten.
    »Was bin ich euch?« brachte etwa die Antwort:
    - Vater/Mutter/Universum
    - Welt-Herausforderung
    - Quelle von allem
    - Alt, langsam
    - Berg/Galaxis
    Und er konnte Stunden damit verbringen, die Komplexe sinnlicher
Wahrnehmung, welche die Worte begleiteten, nachzuvollziehen; den
Geschmack seines eigenen Blutserums, die festen Gewebe seines
Körpers, die Freude über eingeschwemmte Nährstoffe,
die Notwendigkeit von Reinhaltung und Schutz.
    Wenn er in der Stille der Nacht auf seinem Feldbett lag, nur
beleuchtet von den Infrarot-Sensoren, von den anderen, an seinem
Körper befestigten Meß- und Kontrollgeräten zu
schweigen, schwamm er in seine Träume und wieder heraus, und die
vorsichtigen, beinahe ehrerbietigen Fragen und Antworten der Noozyten
vermischten sich mit seinen Traumbildern. Hin und wieder erwachte er,
als sei er von einem geistigen Wachhund aufgerüttelt worden, um
zu erfahren, daß neues Territorium sondiert wurde.
    Selbst am Tag erfuhr sein Zeitgefühl eine Verzerrung. Die
Minuten, die er in Gesprächen mit den Zellen verbrachte,
erschienen ihm wie Stunden, und wenn er danach in die Welt der
Isolierkammer zurückkehrte, geschah es mit einem verwirrenden
Mangel an Überzeugung von ihrer Realität.
    Die Besuche von Paulsen-Fuchs und anderen schienen in
längeren Abständen zu erfolgen, obwohl sie tatsächlich
jeden Tag zur gleichen festgesetzten Zeit stattfanden.
    Um drei Uhr nachmittags kam Paulsen-Fuchs mit seinen Zeitungen und
Erörterungen der Neuigkeiten, die Bernard früher am Morgen
in den Fernsehnachrichten gehört hatte. Die Nachrichten waren
unweigerlich schlecht und wurden noch schlechter. Mit der
Bombardierung der Panama-Kanalzone hatte die Sowjetunion ganz
Westeuropa in Panik und hilflosen Zorn versetzt. Daraufhin hatte sie
sich in ein verdrießliches Schweigen zurückgezogen, das
niemanden ermutigen konnte. Bernard dachte über diese Probleme
nur flüchtig nach; wichtiger war ihm, welche Fortschritte es in
der Beherrschung der intelligenten Zellen gab.
    »Keine«, antwortete Paulsen-Fuchs. »Sie
kontrollieren offensichtlich das gesamte Immunsystem; abgesehen
davon, daß sie eine erhöhte Stoffwechselrate haben, sind
sie sehr gründlich getarnt. Wir glauben, daß sie
inzwischen alle Antimetaboliten neutralisieren können, bevor
diese zu wirken beginnen; sie sind bereits gewarnt vor Inhibitoren
wie Aktinomycin. Kurzum, wir können ihnen nicht schaden, ohne
Ihnen zu schaden.«
    Bernard nickte. Seltsamerweise interessierte ihn das kaum
noch.
    »Und Sie kommunizieren inzwischen mit ihnen?« fragte
Paulsen-Fuchs.
    »Ja.«
    Paulsen-Fuchs seufzte und wandte sich von dem Panzerglasfenster
weg. »Sind Sie noch ein Mensch, Michael?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte er. Dann aber kam
ihm der Gedanke, daß er es nicht war, daß er seit mehr
als einem Monat nicht bloß ein Mensch war. »Ich bin immer
noch ich, Heinz.«
    »Warum mußten wir schnüffeln, um diese

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