Blutnebel
alten Fernseher noch auf der Kommode mit ihren vier Schubladen ein einziges Staubkorn zu finden war.
Obwohl die Räume seit den Siebzigerjahren garantiert nicht mehr renoviert worden waren, machte sich jemand regelmäßig die Mühe, alles sauber und in Schuss zu halten. Über dem Bett mit dem weißen Eisengestell lag eine Steppdecke, und am Kopfteil lehnten dicke, weiche Kissen. Eine alte Sturmlampe stand auf einem Häkeldeckchen auf dem Nachttisch, und durch die offene Tür des Badezimmers sah man mehrere dicke gelbe Handtücher über einer verbeulten Metallstange hängen.
»Es ist nichts Besonderes«, sagte hinter ihr Mary Sue Talbot, die Inhaberin. »Wohl nicht ganz das, was Sie gewohnt sind. Aber die anderen TBI-Leute haben gemeint, es würde Ihnen hier schon recht sein.«
Mary Sue war vermutlich bereits mittleren Alters gewesen, als der Teppichboden hier verlegt worden war, doch sie achtete ebenso auf ihr Äußeres wie auf die Zimmer, die sie vermietete. Ihr weißes Haar war zu einem sanft geschwungenen Pagenkopf geschnitten, und ihre frisch gebügelte dunkelblaue Bluse steckte in einer engen, gestärkten Jeans.
»Es ist prima«, versicherte ihr Ramsey. »Gemütlich. Um Klassen besser als viele Zimmer, die ich schon bewohnt habe, das können Sie mir glauben.«
Die Frau musterte sie, als argwöhnte sie Sarkasmus, doch offensichtlich konnte Ramseys Gesichtsausdruck sie beruhigen. »Wenn Sie irgendetwas brauchen, greifen Sie einfach zum Telefonhörer und geben Bescheid. Essen gibt’s bei uns keines, aber an der Rezeption steht ein Getränkeautomat, und wir kriegen jeden Morgen ein Blech frische Donuts vom Henhouse geliefert. Das ist ein Restaurant an der Hauptstraße. Das beste Frühstück in der Gegend. Ich kann Ihnen jeden Morgen für zwei Dollar einen Becher Kaffee und einen Donut verkaufen, aber wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und wenn sie weg sind, sind sie weg.«
Ramsey lächelte höflich. Sie war keine große Frühstückerin. »Danke. Ich komme vielleicht darauf zurück.« Als die ältere Frau gegangen war, stellte sie ihre Tasche ab und folgte ihr. Sie wollte unbedingt so schnell wie möglich mit den TBI-Beamten sprechen, und so klopfte sie an die Tür von Nummer acht, dem Bungalow, der als provisorische Ermittlungszentrale genutzt wurde. Agent Powell machte ihr in Hemdsärmeln die Tür auf.
Wortlos trat er beiseite und ließ Ramsey hereinkommen. Matthews, der Jüngere der beiden, war auch da und saß an einem langen Klapptisch, der als Schreibtisch fungierte. Irgendjemand hatte Mary Sue veranlasst, das Bett aus dem Zimmer zu entfernen. Laptop, Fax und Kopiergerät standen dicht an dicht auf einem weiteren Tisch am Fenster. Matthews hatte ebenfalls das Sakko abgelegt und die Hemdsärmel aufgekrempelt. Eine Klimaanlage gab es nicht.
Ramsey musterte den Älteren. Sein Name kam ihr quälend vertraut vor, doch sie konnte sich nicht erinnern, ihm schon einmal beim TBI begegnet zu sein. »Kennen wir uns eigentlich?«, fragte sie ihn, während sie näher trat. »Von damals, als ich noch beim TBI war?«
»Glaub nicht.« Er war groß und hatte eine Läuferfigur, schroffe Gesichtszüge und kurze, schütter werdende graue Haare. »Aber ich hab Ihren Namen schon ein paarmal gehört. Ich bin nämlich seit fünfzehn Jahren bei der Dienststelle Knoxville.«
Natürlich. Nun fiel der Groschen. Warden Powell war der leitende Beamte der Kriminalpolizei Knoxville. Sie hatte ihn einmal bei einer Feierlichkeit gesehen, auf der ihr Team eine Belobigung dafür erhalten hatte, dass sie einen Ring von Kindesentführern ausgehoben hatte. Auch er hatte damals eine Auszeichnung bekommen. Sie hätte sich denken können, dass Jeffries einen seiner verlässlichsten Männer an die Spitze dieser Ermittlungen setzen würde.
Sie ging zur Wand gegenüber, deren Täfelung zu einem Anschlagbrett umfunktioniert worden war. Dort hingen Bilder des Opfers, Landkarten und Fotos vom Tatort. Ramsey musste kurz daran denken, dass es Mary Sue Stunden kosten würde, die Klebstoffreste von der Wand zu kratzen.
»Irgendwelche neuen Erkenntnisse vom Tatort?«
»Jemand hat ganz schön viel Aufwand getrieben, um die Leiche so weit in den Wald zu schleppen.«
Powell nickte und trat neben sie, ehe er mit dem Zeigefinger auf ein Luftbild von der Gegend wies. »Der Täter kannte sich aus. Niemand tappt kurz vor Mitternacht einfach so in den Wald und stößt rein zufällig auf diesen Teich. Er ist gezielt dort hingegangen. Der Teich ist in der Mitte
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