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Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
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ziemlich tief. Bestimmt wollte er nicht, dass die Tote gefunden wird.«
    Sonst hätte er sie im Wald abgelegt, dachte sie, und die Tiere die Arbeit beenden lassen, die er begonnen hatte. »Wenn er nicht wollte, dass sie entdeckt wird, hätte er sie beschweren müssen.« Sie studierte noch einen Moment lang die Wand. »Wir haben also einen Verdächtigen, der sich in der Gegend hier auskennt. Das deutet auf einen Einheimischen hin oder jemanden, der früher hier gelebt hat.« Auf einmal fiel ihr etwas ein. »Wird in den hiesigen Wäldern gejagt?« Jäger würden durchaus längere Anfahrtswege in Kauf nehmen, um an einen Ort zu kommen, der in der Saison reich an Wild war. Und Jagdgenehmigungen hinterließen eine hübsche Spur aus Papieren, falls sie in dieser Richtung weiterermittelten.
    »Der Sheriff sagt Nein. Das County erlaubt es nicht. Aber hier in der Gegend hat man es sowieso meistens mit Wilderern zu tun.«
    »Und Wilderer sind meistens Hillys.«
    Sie wandte sich mit hochgezogener Braue zu Matthews um. Er sprach mit schwachem, aber unverkennbarem Bronx-Akzent. Einen Moment lang überlegte sie, was wohl einen New Yorker zum TBI verschlagen hatte. »Hillys?«, fragte sie.
    Er sah kurz von seinen Unterlagen auf und musterte sie. »So nennen die Städter die Landbewohner, die in den Hügeln außerhalb der Stadt leben. Wir sind erst ein paar Tage da, aber es ist jetzt schon unverkennbar, dass zwischen einigen Städtern und den Hügelleuten keine große Sympathie herrscht.«
    Das war im ländlichen Süden nichts Ungewöhnliches. Jede Kultur hatte ihr ureigenes Kastensystem, und hier unten war das einzige »anständige« Heim außerhalb der Stadtgrenzen ein herrschaftliches Anwesen oder eine Ranch. Außerdem waren die Leute von außerhalb den Stadtbewohnern gegenüber oft genauso misstrauisch.
    »Irgendwas Neues über die Spuren, die Sie am Ablageort gesammelt haben?«, wollte Ramsey wissen.
    »Das kriminaltechnische Labor in Knoxville vergleicht jeden Fußabdruck und jede Faser mit der Kleidung der Jugendlichen, die am Tatort waren. Wenn wir das alles aussortiert haben«, sagte Powell achselzuckend, »sehen wir ja, ob wir irgendwelche Anhaltspunkte haben, die uns weiterhelfen. Alles andere haben wir uns für das mobile Labor aufgespart, das Sie herbestellt haben.«
    »Es wird langsam spät.« Glenn Matthews stieß sich mit dem Drehstuhl vom Tisch ab und rieb sich mit den Handballen die Augen. Ramsey schätzte ihn auf Anfang dreißig. Er hatte einen dunklen Teint und welliges schwarzes Haar. »Lust auf Abendessen? Es gibt hier ein ganz ordentliches Steakhaus.«
    Als Powell schnaubte, grinste der jüngere Polizist. »Ward mag weder den Lärm noch die Klientel dort, aber das Essen ist gut.«
    »Es ist eher eine Spelunke als ein Steakhaus«, knurrte Powell und wandte sich von den Fotos ab, die er bis jetzt studiert hatte. »Die Musik ist zu laut, und die Gäste interessieren sich mehr für Bier und Billard als für Essen. Aber sie kochen nicht schlecht.«
    Selbst seine halbherzige Empfehlung genügte Ramsey. Die Tüte Chips, die sie am Morgen auf dem Weg zum Flughafen verputzt hatte, war nur noch eine vage Erinnerung. »Mir ist das ganz recht. Aber ich möchte mich erst kurz umziehen, und Sie müssen mich mitnehmen. Mein Mietwagen kommt erst morgen.« An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Ich würde gern den vollständigen Obduktionsbericht lesen. Sie haben doch bestimmt eine Kopie davon.«
    Powell nickte. »Mir wäre es aber lieber, wenn nichts von hier verschwände. Ich besorge Ihnen einen Zweitschlüssel.«
    Zufrieden kehrte Ramsey in ihr Zimmer zurück. Sie wusste, dass es besser war, zuerst ihren Magen zu füllen, ehe sie stundenlang über den Einzelheiten brütete, wie die Unbekannte gestorben war.
    Powells Beschreibung des Half Moon traf den Nagel auf den Kopf. Ramsey folgte den beiden Beamten durch die Kombination aus Kneipe und Steakhaus, wobei ihr von dem dichten Rauch, den kein Gesetz jemals erfolgreich würde bekämpfen können, auf der Stelle die Augen zu brennen begannen. Eine Herz-Schmerz-Ballade dröhnte aus einer großen Musikbox, die neben einer momentan leeren kleinen Tanzfläche in die Ecke gequetscht worden war.
    Von den Anwesenden entfiel je etwa die Hälfte auf Speisegäste und Barbesucher, und man sah sofort, dass die Einheimischen Matthews’ Meinung über das Essen teilten.
    Die Bedienung, eine Mittdreißigerin mit scharfen Gesichtszügen, langen, geschwungenen Ponyfransen und engen

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