Blutnebel
verspreche, dass Ihr Hirn dabei nicht rausfällt.« Als er sich wieder aufrichtete, sprach er in normaler Lautstärke weiter. »Soll ich für euch beide ein Glas von Gils spezieller Limonade besorgen?«
»Es hat keinen Sinn, sauer auf ihn zu werden.«
Ramsey wandte den Blick, der sich in die Kehrseite des Mannes gebohrt hatte, der Frau neben ihr zu, die sie reumütig anlächelte.
»Ich meine, Sie können es versuchen, aber irgendwie hält sich eine rechtschaffene Wut nicht, wenn man es mit Devlin Stryker zu tun hat.«
»Kennen Sie ihn gut?«
»Seit wir im Kinderwagen gesessen haben. Selbst nachdem seine Familie weggezogen war, ist er regelmäßig wiedergekommen und hat seinen Großvater besucht.«
In Ramseys Wut regte sich neues Interesse. Dann war er also quasi ein Einheimischer, jedoch mit der Objektivität eines Außenstehenden. Als solcher könnte er nützlich sein, um sie mit Details über die Stadtbewohner zu versorgen, wenn sie begannen, Profile von Verdächtigen anzulegen.
Während ihr Zorn allmählich verrauchte, warf Ramsey einen genaueren Blick auf die Frau neben ihr. Mit ihrem schulterlangen, glatten braunen Haar, dem roten Trägerkleid und den lackierten Fingernägeln hätte sie sich auf jedem Zeitschriftentitel zum Thema Südstaatenschönheiten gut gemacht.
»Stryker … Devlin hat mir erzählt, dass Sie Expertin in Bezug auf die Legende über den roten Nebel sind.«
Leannes knallrote Fingernägel blitzten, als sie eine abwehrende Geste machte. »Bin ich nicht. Aber ich kann wiedergeben, was mir meine Mama erzählt hat, seit ich klein war. Donnelle Layton«, fügte sie hinzu. »Sie ist so eine Art ehrenamtliche Historikerin im hiesigen Museum für Lokalgeschichte. Ich will nicht behaupten, dass sie besonders viel auf die Story gibt, aber sie ist sehr akkurat, wenn es darum geht, die Geschichte der Menschen und der Orte hier in der Gegend aufzuschreiben. Es gehört alles zum Hintergrund, wissen Sie, dazu, wer und was unsere Stadt geformt hat.«
Ramsey vergaß immer wieder, was für Umwege Gespräche in den Südstaaten nahmen. Sie holte tief Luft, unterdrückte ihre Ungeduld und rang sich ein höfliches Lächeln ab.
»Wahrscheinlich ist Ihnen schon aufgefallen, dass hier seit dem Mord alle ein bisschen durchgedreht sind. Oder vielleicht auch nicht, Dev hat ja gesagt, dass Sie eben erst angekommen sind, aber es ist so. Und damit meine ich nicht nur die Reporter. Mord ist den Leuten hier in der Gegend immer unheimlich wegen der Legende. Wegen der Morde, die immer dreifach vorkommen.« Leanne hielt inne, um in ihrer Handtasche zu kramen, die eigentlich zu klein war, um nützlich zu sein, und zog ein Päckchen Zigaretten hervor.
»Es hat noch weitere Morde hier gegeben?« Rollins hatte erwähnt, dass um dieselbe Zeit, als der rote Nebel erschienen war, andere Todesfälle vorgekommen seien, doch er hatte vergessen hinzuzufügen, dass es Morde gewesen waren. Ramseys Interesse an der Legende stieg um einige Grade.
Nachdem sie sich eine Zigarette angezündet und tief daran gezogen hatte, fuhr Leanne fort: »Es gibt verschiedene Versionen der Legende, wissen Sie. Doch die Fakten bleiben gleich, nämlich, dass es etwa jede Generation, ein paar Jahre hin oder her, einmal den roten Nebel gibt, gefolgt von einem Todesfall. Und kurz nach dem ersten kommen noch zwei andere hinterher. Natürlich sind es nicht immer gewaltsame Todesfälle. Vielleicht hat jemand einen Herzinfarkt oder stirbt im Schlaf.« Die genauen Einzelheiten schien Leanne nicht zu kennen. »Doch der rote Nebel wird immer gesichtet, ehe die erste Leiche gefunden wird.«
»Sie meinen von demjenigen, der das Opfer findet?«, fragte Ramsey. Trotz allem war sie nun neugierig geworden.
»Oh nein.« Leanne schüttelte heftig den Kopf. »Es gibt immer mehrere Berichte von Leuten, die behaupten, ihn gesehen zu haben. Manche Leute werden richtig hysterisch, wenn sie davon hören. Kinder dürfen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr raus. Die Gehsteige werden bei Dämmerung praktisch hochgeklappt. Manche Leute verlassen sogar eine Zeit lang die Stadt.«
»Sheriff Rollins hat gesagt, es gibt eine wissenschaftliche Erklärung für die Farbe, und es sei nur tief liegender Nebel.«
Leanne hob eine ihrer glatten Schultern, die das Trägerkleid nackt ließ. »Er muss es ja wissen. Übrigens fällt mir gerade ein, dass unser Chemielehrer in der Schule auch versucht hat, es uns zu erklären. Ich kann nicht behaupten, dass ich damals in der Schule groß
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