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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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daß es Patricia sei, hätte ich nicht ihre Kleinmädchenstimme gehört. Ich hatte sie nur fünf Wochen nicht gesehen. Wie kann sich ein Mensch in so kurzer Zeit so verändern.
    »Patricia«, sagte ich. »Bist du krank?«
    »Ich hab die Ma-a-asern«, sagte sie.
    »Du bist ja total betrunken.«
    »Hast du die Masern schon gehabt? Nein? Dann fallen dir deine Eier ab«, sagte sie und kicherte »oder irgend so was. Das sagt Roland. Das passiert, wenn du sie als Kind nicht hattest.«
    Ich schaute Phillip wütend an, weil ich ihn für Patricias Zustand verantwortlich machte. Ich ging auf sie zu, mit der Absicht, sie hochzuziehen und von hier wegzuschaffen, obgleich Constance im Weg war, und der Couchtisch.
    Das Licht veränderte sich und ich blickte zurück, weil ich dachte, Phillip käme auf mich zu. Aber es war Annie, die hereinkam. In der Hand hielt sie eine Kleinkaliberwaffe aus Chrom, die sie auf Bauchhöhe hielt, so daß es wie ein silberner Knopf statt eines braunen aussah.
    Phillip sagte: »Ma, tu’ die Waffe weg, bist du verrückt?«
    »Halt die Klappe. Du« — sie meinte mich — »komm sofort hierhin.« Sie zeigte auf eine Stelle am Ende des Tisches vor dem Fernseher.
    Ich bewegte mich und stieß dabei an den Tisch, so daß die Bierkanne umfiel. Constance fing sie auf und sagte: »Oh, wow.«
    Annie sagte zu Phillip: »Mach’ den Kasten aus.«
    Er sah uns beide an und machte dann den Fernseher hinter mir aus, wobei er meinen Arm mit dem Daumen und zwei Fingern drückte. Ich fragte mich, was das bedeuten sollte. Ich hörte, beziehungsweise fühlte, einen Stoß an der Wand. Die Ziegen waren unruhig.
    Annie legt die Waffe in ihre linke Hand und haute mit der anderen an die Wand, wodurch das leise Poltern auf der anderen Seite aufhörte.
    »Das war sehr clever«, sagte ich.
    »Halt die Klappe. Was denken Sie eigentlich, was Sie mit meiner Familie machen? Ich weiß, wer Sie sind. Sie haben kein Recht, Ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die Sie nichts angehen.«
    Ich fragte mich, wo Cipriano war.
    »Das willst du doch nicht tun, Ma.«
    »Hau ab», sagte sie.
    »Jetzt beruhige dich, verdammt nochmal, Ma. Leg’ die Waffe weg. Wir machen hier doch gar nichts. Sie sieht nur nach ihrer Freundin.«
    Constances Augen waren ganz groß geworden. Sie sagte: »Ich möchte jetzt gerne gehen.«
    »Hol’ Roland«, sagte Annie. »Hol’ ihn!«
    Patricia betrachtete das ganze Schauspiel mit wenig mehr Interesse als ob sie zwischen zwei Röcken zu wählen hätte.
    Phillip hob die Hände, um seine Mutter zu beschwichtigen und schüttelte den Kopf. »Setz dich, Constance«, sagte er und das tat sie auch, und dann sagte er zu seiner Mutter: »Was ist mit dem Typ? Reiß dich zusammen! Hey, wir beruhigen uns und spielen ‘ne Runde Karten zusammen. Wir machen eine Party. Hat Roland nicht ein paar Steaks mitgebracht?«
    »Sie ist es, verdammt nochmal«, sagte Annie. Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß zum anderen. Ihr Haar hatte sich mit irgendetwas an der Decke verfangen, aber sie bemerkte es nicht oder es kümmerte sie nicht.
    »Sie ist wer?« fragte Phillip. Er setzte sich auf den Tisch und legte die Arme auf die Knie. Er simulierte ein Gähnen, rollte seine Schultern und drehte seinen Igelhaarkopf.
    Annie zog sich einen grauen Stuhl heran, dreht ihn um und setzte sich vor uns alle. Der Arm mit der Waffe hing herunter, der andere lag auf der Lehne, und sie stützte ihr Kinn darauf. »Ich möchte gerne wissen, was wir jetzt machen«, sagte sie. »Hast du irgendeine tolle Idee? Du weißt, wer das ist, nicht wahr?«
    Ich war zurückgegangen und hatte mich auf eine Couchlehne gesetzt.
    »Wer denn schon. Sie arbeitet für den Bezirk, das ist alles. Laß uns sie und ihren Freund rauswerfen, damit hier wieder alles normal wird.«
    Wir hörten wieder das Poltern der Ziegen, die sich von dem Psychospiel hier drinnen gestört fühlten. Annies Aufmerksamkeit richtete sich nach draußen.
    Phillips Stimme war beschwichtigend und ruhig. »Alles ist hier in Ordnung, Ma.« Er drehte sich zu mir und fragte: »Ist alles mit dir in Ordnung, Süße?«
    »Super.«
    »Wo ist der Typ?« fragte er seine Mutter.
    »Draußen.«
    »Was hast du mit ihm gemacht?«
    Sie dachte eine Minute nach. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein leichtes Lächeln, das dann wieder verschwand, wobei sich durch die Fleischmassen ihre Augenbrauen und die Ohren bewegt hatten. Sie führte die Waffe an ihre Wange und sagte: »Ihn geküßt«, und lachte.
    Ich sagte: »Ich

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