Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
bedeutete ihr, mit ihr zu kommen. Wieder wurde sie in einen Raum geführt, in welchem es nichts anderes
     gab als das einladende schwebende Tuch, auf dem Nona die letzten Nächte so gut geschlafen hatte. Nur ein Atemhauch der Zauberin
     genügte, um es schweben zu lassen. Die Zauberin bedeutete Nona sich zu setzen, und Nona wagte nicht, ihr zu widersprechen.
     Viel zu mächtig und wissend war diese Frau, als dass sie sich ihren Anweisungen widersetzt hätte. Die Zauberin hielt etwas
     in der Hand. Nona hatte nicht mitbekommen, woher sie es genommen hatte. Es war eine zarte Kette aus geflochtenem Lalu-Haar,
     an der drei tropfenähnliche schimmernde Perlen hingen. Die Lalu-Zauberin legte Nona die Kette um den Hals. Sie war so leicht,
     dass Nona sie kaum auf der Haut spürte.
    »Dies sind die letzten Tränen Salas, die sie vergoss, bevor sie sich dem Zorn hingab. Eine vergoss sie für ihre Tochter Tjama,
     die andere für das Leid, das sie dem Menschenvolk zugefügt hatte, die letzte rann um der Erkenntnis willen aus ihrem Auge,
     dass sie sich von Muruks dunklem Zorn hatte verführen lassen. Diese drei Tränen enthalten das letzte Licht der Göttin. Wenn
     sie zerstört werden, wird ihr Licht endgültig verlöschen.«
    Nona betastete das filigrane Schmuckstück mit zitternden Händen. Die Tränen einer Göttin lagen jetzt auf eine Kette gezogen
     um ihren Hals. Diese Lalu-Frau hatte ihr ein zu kostbares Geschenk überreicht. Gerührt senkte Nona den Kopf. »Ich … ich habe
     dieses Geschenk nicht verdient«, erklärte sie kleinlaut.
    »Es ist weniger ein Geschenk als etwas, was du brauchen wirst. Das Kind wird dir zeigen, was zu tun ist«, sagte die Lalu-Zauberin
     ruhig. »Es ist bald an der Zeit, dass du weiterziehst, denn dein Weg ist noch nicht beendet, Nona vom Menschenvolk. Ich war
     viele Jahre die Hüterin der Tränen, doch nun werden sie dir von Nutzen sein.«
    Nona brannte eine Frage im Herzen, und sie überwand sich schließlich, sie der Zauberin zu stellen. »Ist es wahr, dass Dawon
     dein Sohn ist, Zauberin?«
    |172| Die Zauberin lächelte und nickte schließlich. »Ja, der Greif ist mein Sohn. Etwas der wenigen guten Dinge, die ich hervorbringen
     konnte in meinem langen Leben.«
    Nona sah sie irritiert an. »Du bist eine Lalu-Frau, eine mächtige Zauberin. Wie könntest du etwas hervorbringen, was nicht
     schön und gut ist?«
    Mit einem Male kam Bewegung in die Gesichtszüge der Zauberin, und Nona meinte einen Anflug von etwas erkennen zu können, was
     sie als menschlich bezeichnen konnte – Trauer und vielleicht sogar einen Hauch von Zorn. Die Stimme der Zauberin blieb ruhig,
     und doch hatte sie etwas Düsteres an sich, als sie zu sprechen begann. »Ich war nicht immer eine Lalu-Frau, Nona. Keine Lalu-Frau
     wird als solche geboren, denn wir sind viel zu wenig körperlich, als dass wir Kinder gebären könnten.«
    Nona sah sie überrascht an. Wie hatte ihr das entgehen können? »Dann warst du also … ein Mensch?«
    »Man könnte zumindest behaupten, ich war menschlich, auch wenn ich nie dem Menschenvolk angehörte, niemals ganz. Aber als
     ich Dawon empfing, besaß ich noch einen menschlichen erdgebundenen Körper. Erst als ich ihn geboren hatte, entschloss ich
     mich, zu einem Geistwesen zu werden. Ich wartete zwar noch, bis mein Sohn alt genug war, damit ich ihn in den ersten drei
     Jahren nähren und danach seinem Vater bringen konnte, doch dann gab ich mein irdisch gebundenes Leben vollkommen auf.«
    »Du … du warst ebenfalls mit einem Greif zusammen«, wagte Nona zu sagen, und die Zauberin fuhr fort. »Es war der Wunsch Salas.
     Ich ging zum Mugurgebirge und bot mich dem ersten Greif an, der meinen Weg kreuzte. Er nahm mich mit sich und brachte mich
     auf einen Felsen, von dem ich ohne seine Hilfe nicht fortkommen konnte. Einen ganzen Mond kam er, um mich immer wieder zu
     lieben, und er brachte mir Nahrung und Wasser. Als er wusste, dass ich ein Kind trug, brachte er mich zurück an den Fuß des
     Berges und zog seines Weges, ohne zu wissen, dass nicht er |173| mich verführt hatte, sondern ich nur wegen des Kindes mit ihm zusammen gewesen war. Ich gebar Dawon und wusste, dass Sala
     mir mit ihm einen Funken Hoffnung und Vergebung für meine schweren Sünden geschenkt hatte.«
    »Sünden?«, fragte Nona ungläubig. »Welche Art von Sünden könntest du begangen haben, welche die der Menschen noch übertreffen.«
    Das Antlitz der Zauberin verdüsterte sich noch mehr. »Ich beging die

Weitere Kostenlose Bücher