Blutspur
nicht, oder wir waren einfach zu blöd, um die Zeichen zu deuten.
Doch seitdem wir hier waren, ging alles schief, und somit lag es nahe, dass ich niemandem glauben durfte, egal, was man mir weismachen wollte.
Sebastian klopfte mir aufmunternd auf den Rücken, dann widmete er sich wieder der Karte.
„ Wir versuchen herauszufinden, wo sie Virginia versteckt halten könnten“, informierte mich Rafael.
Ich ahnte, dass er mir vieles sagen wollte, dies aber hinunterschluckte, um sich der intensiven Recherche zu widmen. Wenigstens ging es einem hier um Virginias Leben. Darius überraschte mich, als er nervös auf - und abging. Offenbar war ihm doch mehr an der Prinzessin gelegen, mehr als ich dachte.
„ Ich kann nicht verstehen, wie man sie entführen konnte. Die Wachen tot, der Fahrstuhl manipuliert, und…“
Er hielt inne und zog das Handy, das ich Virginia dagelassen hatte, ganz langsam aus seiner Hosentasche.
„ Interessanter Nachrichtenkontakt“, kam es süffisant über seine Lippen. „Ich frage mich, wann die Anhörung fortgesetzt wird und kann gar nicht erwarten, welche Strafe Sie diesmal ereilt.“
Ich erfasste seine Vibrationen, er stieß diesen unverkennbaren Geruch aus, den die Dunklen verströmen und den ich durch meine Gabe nicht mehr abschütteln konnte. Ich roch seine Genugtuung, atmete die Zufriedenheit ein, die er aus jeder Pore stieß und erschnüffelte seinen Triumph. Das Aroma, das die Dunklen aussendeten, hatte ich nie richtig beschreiben können. Es war eine Mischung aus verwelkten, nassen Blättern, gepaart mit dem Gestank alten Leders, jedenfalls nahm ich es so wahr.
„ Sie dürfen sich entfernen“, brach Darius’ kalte Stimme zu mir durch.
„ Wie bitte?“
„ Ich sagte, dass Sie sich entfernen dürfen.“
Jedes Wort schnitt mir einen Riss in die Haut, ließ mich innerlich aufkeuchen, mich aber auch wütend und unbeherrscht werden.
„ Sie brauchen mich“, sagte ich nur.
Drohend leise, aber dennoch vernehmbar.
Pierre schnaubte verächtlich und ließ sich wieder auf einen Sessel fallen.
„ Das glauben Sie doch selbst nicht“, lachte Darius laut auf.
„ Er hat recht.“
Rafael nickte zu mir herüber.
„ Das kann doch nicht dein Ernst sein“, entfuhr es Darius.
„ Es ist sein Ernst“, sagte ich grinsend. „Ich kenne Virginia seit einem Jahr und kann sehr hilfreich sein, außerdem habe ich immer noch gewisse Kontakte, die nützlich sein könnten.“
Warum verschloss ich mich davor? Ich wusste doch genau, dass ich, wenn ich meinen Hochmut überwand und zugab, dass ich einige Verbindungen zur Unterwelt hatte, ein ganzes Stück weiterkam. Es wurde viel geredet, doch an manchen Sachen klebte Wahrheit. Ich musste meine Beziehungen spielen lassen, doch würden sie mir noch glauben? Nach all den Jahren?
Ich spürte abwertende Blicke auf mir, Darius und Pierre saugten sich regelrecht an mir fest.
„ Man kann ihm nicht trauen“, sagte Darius abfällig.
„ Sehe ich genauso.“
Pierre goss sich bedächtig einen Brandy ein und zündete sich eine Zigarette an. Alexio schien auf meiner Seite zu sein, denn er lächelte mir aufmunternd zu; sein Groll von vorhin war verschwunden. Er hatte nicht viel zu sagen, war kein Ratsmitglied, aber ein stolzer Krieger, der sich nicht scheute, Seite an Seite mit den Seinen zu kämpfen, was Maggie jedes Mal einen Herzinfarkt beschert hatte. Auch er hatte auf die Revolution gehofft, die sich mit Virginias Ankunft hätte ausbreiten sollen. Doch nun war alles anders gekommen.
„ Wir brauchen Brandon.“
Rafaels Stimmlage duldete keine Widerrede. Ich ging an den Tisch und schaute mir die Karte von Vampire City an. Wir hatten die Stadt vor vielen Jahrzehnten umgetauft, weil es nirgendwo auf der Welt so viele Vampire wie hier gab. Ein Stadtteil, ein düsteres Segment, in dem die Kriminalitätsrate hoch war und in dem sich die zwielichtigsten Gestalten herumtrieben, lag oben auf. Die verzweigten Tunnelsysteme und Abwasserkanäle schienen unendlich, aber ich kannte sie, weil ich mich dort schon oft herumgetrieben hatte. Auf dieses Kapitel war ich wahrhaftig nicht stolz, aber wegwischen ließ sich die Vergangenheit nun nicht mehr, man konnte sie nur vergessen oder abwandeln, doch sie blieb was sie war: Der Teil von einem selbst, den man nicht mehr verändern konnte.
„ Ihr denkt, dass sie hier irgendwo ist? Wäre es den Dunklen nicht eher zuzutrauen, dass
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