Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
ist, denen diese Zähne einmal gehört haben. Doch es kommt mir wenig überzeugend vor, dass der fünfjährige Luke zwei Jahre nach seinem Verschwinden seinen Zahn und den Zahn eines anderen Kindes nimmt, ein gutes Stück weit hinter die Umzäunung des Sheffield-Anwesens bis zu der Stelle marschiert, wo die zerteilten Überreste seines Vaters verscharrt wurden, und die Zähne dort ablegt, ehe er wieder davonspaziert.«
»Ich weiß, was du damit sagen willst. Bis vor kurzem war der Einzige, der wusste, wo die Leichenteile vergraben waren, Gerry Serres Mörder, und der hätte nun wirklich keinerlei Veranlassung dazu, die Zähne dorthin zu bringen.«
»Glaube ich auch. Zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.«
»Kann man irgendwie herausfinden, wem die Zähne gehört haben?«
»Ich weiß nicht, ob sie DNA von ihnen gewinnen können oder nicht. Aber ich vermute stark, dass Sheila diese Zähne von einem Zahnarzt bekommen hat.«
»Warum sollte ein Zahnarzt sie ihr geben?«
»Zur Ausbildung.«
»Du meinst für Hunde?«
»Ja. Zähne sind die am wenigsten anstößigen Materialien, mit denen man üben kann. Leichensuchhunde und ihre Ausbilder haben oft ein Netzwerk aus Ärzten, Zahnärzten, Pathologen und anderen, die wissen, dass die Ausbilder zu Übungszwecken humanbiologisches Material brauchen. Das ist völlig verständlich, aber es läuft nicht immer alles streng legal ab, daher reden Besitzer von Such- und Rettungshunden nicht so gern mit jedem über den Inhalt ihrer Kühltruhen.«
»Erinnere mich daran, dass ich darauf achte, was ich aus deiner auftaue.«
Er lachte. »Du meinst, zum Abendessen heute bei euch soll nicht jeder Gast etwas beisteuern?«
»Nein, ihr seid natürlich eingeladen.«
Kurz nach Ende unseres Gesprächs meldete sich der Sicherheitsdienst von unten bei mir. Ich hatte Besuch: Bens Exfreundin Anna Stover.
22. KAPITEL
DIENSTAG, 25. APRIL, 11:05 UHR GRAYDON FLETCHERS HAUS
Genie ertappte sich bei einer verblüffenden Erkenntnis: Großvaters Haus war für Kinder gemacht. Immer wenn sie bisher hier gewesen war, hatte sie sich so gefreut, ihre Cousins und Cousinen zu sehen und mit ihnen zu spielen, dass ihr nie aufgefallen war, wie sehr sich sein Haus von dem anderer Erwachsener unterschied.
Nun, da sie mit Carrie einen Weg durch den Garten der Kinder entlangging, sann sie darüber nach, was Großvaters Haus so ganz anders machte als alle anderen, die sie je besucht hatte. Die meisten Häuser, die sie kannte, gehörten anderen Mitgliedern ihrer Familie, und es waren alles Häuser mit gro ßen Gärten und zahlreichen Zimmern, die für die Kinder des Hauses gedacht waren. Die Fletchers waren überzeugte Verfechter von Hausunterricht, und wenn man nicht das Glück hatte, die Fletcher Academy zu besuchen, hatte man wahrscheinlich ein Spielzimmer im Haus und einen Raum, der als Schulzimmer benutzt wurde. Doch keines der Häuser ihrer zahlreichen Cousins und Cousinen war auch nur annähernd ein solches Kinderparadies wie Großvaters Haus.
In dem weitläufigen Haus gab es mehrere Spielzimmer, alle voller Spielsachen, Gesellschaftsspiele und Puzzles in scheinbar unendlicher Auswahl. Wenn das Übergewicht auf Lernspielsachen lag, so störte dies niemanden besonders. Es gab auch Puppen, Stofftiere und Spielzeugsoldaten.
Im Kunstraum konnte man mit Ton, Knetmasse, Pappmaché oder Fingerfarben arbeiten. Das war Genies Lieblingsraum: Es gab sogar Digitalkameras, einen Scanner und einen Computer, an dem man die Fotos zu witzigen Bildern umarbeiten konnte.
Carrie mochte die Musikräume. Einer davon war zum Musikmachen, der andere zum Musikhören gedacht. In dem Raum zum Hören standen mehrere Sitzsäcke, und wenn man wollte, konnte man einfach nur dasitzen und über Kopfhörer Musik hören. Man brauchte sich nicht die gleiche Musik anzuhören wie alle anderen, sondern durfte sich seine eigene aussuchen. Außerdem konnte man dort gut ein Nickerchen machen.
Man konnte auch immer in eines der freien Zimmer gehen, von denen manche für Mädchen und andere für Jungen bestimmt waren. Genie war nicht so gern dort, wenn sie wirklich müde war, weil die Mädchen immer schwatzten und kicherten und sie wach hielten. Manchmal gab es hier allerdings Übernachtungspartys für Cousinen ähnlichen Alters, und dann hatte sie überhaupt nichts dagegen, die ganze Nacht wach zu bleiben! Das einzig Blöde kam am nächsten Morgen, wenn man nach Hause kam und Moms viele Fragen beantworten musste. Mom
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