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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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nicht in dem Sinne, wie es bei den meisten Tanten der Fall war.
    Genie, die sich selbst eingestand, dass sie ein bisschen zum Spionieren neigte, wenn es um die Erwachsenen um sie herum ging, fand Onkel Dex’ Wirkung auf die älteren Frauen faszinierend und studierenswert. Wann immer er einen Raum betrat, wurden einige der Tanten rot. Irgendwann fanden sie alle eine Möglichkeit, um wenigstens ein paar Minuten neben Onkel Dex zu stehen. Sie berührten ihn – indem sie ihm eine Hand auf den Arm oder die Schulter legten – öfter als die anderen Männer in der Familie. Wenn jemand mit ihm sprach, sah er den Betreffenden an, als erzählte er oder sie ihm ein wertvolles Geheimnis. Er hörte ihnen zu und sagte ihnen Nettigkeiten. Er hatte ein Lächeln – selbst Genie mochte sein Lächeln -, das andere veranlasste, es zu erwidern. Er scherzte vielleicht ein bisschen mit den Frauen, doch er tat nie irgendetwas, das die anderen Onkel gegen ihn aufbrachte. Irgendwie gelang es Onkel Dex, vorsichtig zu sein, ohne die anderen merken zu lassen, dass er vorsichtig war.
    Mom zog sich ein bisschen schicker an, wenn sie wusste, dass Onkel Dex erwartet wurde. Genie fiel auf, dass Onkel Dex darauf achtete, in Dads Nähe zu bleiben, wenn Mom da war, nie vorbeikam, wenn Dad nicht zu Hause war, und es trotzdem schaffte, Mom Komplimente zu machen und sie zum Lächeln zu bringen.
    Onkel Nelson war der andere Onkel, der sie gelegentlich besuchte. Meistens hatte er zu viel zu tun, um sich mit ihnen zu treffen, und er schien nicht viel mit Kindern anfangen zu können, doch er vergaß nie, Genie zu fragen, wie es ihr ging und ob sie glücklich sei. Er war auch verheiratet, doch Genie hatte seine Frau noch nicht kennengelernt. Mom sagte, er hätte eine Frau geheiratet, die sich im Kreis so vieler Fletchers nicht wohlfühlte, vor allem nicht auf großen Familientreffen. Das begriff Genie nicht.
    Natürlich stand nicht jeder sämtlichen anderen Familienmitgliedern nahe, doch Großvater bemühte sich sehr darum, die Familie zum wichtigsten Element im Leben seiner Kinder zu machen. Genie fühlte sich hier immer geliebt und sicher. Das lag nicht nur daran, dass stets jemand ein Auge auf die Kinder hatte oder dass einen massenhaft Erwachsene in die Arme nahmen und einen fragten, wie es einem ging. Genau wie an der Fletcher Academy gab es hier Kameras und Wachleute. Die meisten Wachleute waren auch Fletchers.
    An diesem Tag war es ungewöhnlich ruhig, obwohl viele Familienmitglieder da waren. Die Erwachsenen, vor allem Großvater, hatten sich gleich bei ihrem Eintreffen um sie gekümmert. Großvater war tieftraurig gewesen. Einige der älteren Cousinen gingen mit Troy und Aaron zum Spielen in ein anderes Zimmer, während Großvater den älteren Kindern (den über Neunjährigen, was bedeutete, dass Genie gerade so dazugehörte) von Sheila erzählte, einer ihrer Cousinen. Er erzählte ihnen von Sheilas Leben und davon, wie ihre leibliche Mutter sie zu den Fletchers gebracht hatte, weil sie wusste, dass Sheilas Vater nicht nett zu einem kleinen Mädchen sein würde.
    Vor ein paar Jahren hatte Sheila ihre leibliche Mutter finden wollen, und Großvater hatte ihr dabei geholfen. Er sagte, er sei froh, dass sich Sheila und ihre leibliche Mutter noch hatten kennenlernen können, aber noch froher war er darüber, dass Sheila wieder nach Las Piernas gezogen war. Dann erklärte er ihnen, er wolle ihnen keine Angst einjagen, müsse ihnen aber sagen, dass Sheila ermordet worden sei, und das sage er ihnen deshalb, weil er wolle, dass sie alle besonders auf der Hut waren und nicht mit Fremden sprachen.
    Die Vorstellung von einem Mord in der Familie war für Genie schockierend, zugleich aber auch aufregend und gruselig. Großvater erzählte ihnen nicht viel über den Mord. Er sagte nur, die Polizei arbeite noch daran. Er beendete seine Rede so, wie er oft Ansprachen an die ganze Familie beendete, nämlich indem er ihnen einschärfte, sich gegenseitig zu lieben, so eifrig wie möglich zu lernen, ihre von Gott gegebenen Talente einzusetzen und einander beizustehen.
    Heute musste einem Großvater einfach leidtun.
    Sie wussten alle, dass andere Leute Großvater auf dem Weg über seine Kinder wehtun wollten.
    Einmal hatte Genie Carrie anvertraut, dass sie davonlaufen wollte, worauf Carrie ausgerastet war. Sie erzählte es zwar nicht ihren Eltern, aber sie flehte Genie an, es nicht zu tun, und da begriff Genie, wie sehr Carrie sie brauchte. Und Carrie erklärte ihr, dass

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