Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
suspekt waren. Die lokalen Behörden erklärten, dass sie weder mit der Polizei von Las Piernas noch mit dem hiesigen Sheriffbüro etwas zu tun gehabt hätte. Ein oder zwei Nachrichtenagenturen hatten vorgehabt, ihren Hintergrund zu durchleuchten und eventuell irgendwann in der Zukunft mit ihr zu sprechen, doch nun gab es keine Zukunft, und die Pläne waren passé. Ihre Ermordung war allerdings ein anderes Thema, und sie wollten gleich wissen, was ich ihnen darüber sagen konnte.
Nicht viel. Wenn sie den Express online lasen, erfuhren sie alles, was ich über Sheila wusste.
Ben Sheridan hatte mich angerufen, ehe ich zur Arbeit gegangen war, verärgert, dass er von Sheilas Tod durch einen Besuch von Vince und Reed in aller Herrgottsfrühe hatte erfahren müssen, wobei ihn die beiden zu allem Überfluss fragten, ob er den Express schon gelesen hätte. Er beruhigte sich und äußerte Verständnis dafür, dass es mir vielleicht ein bisschen unangebracht erschienen war, ihn nachts um eins zu verständigen. Außerdem räumte er ein, dass er eventuell deshalb so heftig reagierte, weil er während seines Gesprächs mit den Detectives einen Anruf von Anna erhalten hatte. »Sie ist außer sich über den Mord, über Sheilas Lügen und so weiter … aber ich bin nicht der geeignete Ansprechpartner, um sie in dieser Sache zu trösten«, erklärte er.
Nachdem wir aufgelegt hatten, fiel mir ein, dass ich ihm ein paar Fragen stellen musste, die er jedoch gewiss nicht ohne Genehmigung der Behörde, bei der er arbeitete, beantworten würde. Also rief ich im Büro des Coroners an und fragte nach dessen Leiter, Carlos Hernandez. Ich wollte ihn bitten, Ben die Erlaubnis zu geben, mir zu verraten, ob die Zähne, die Sheila und Altair angeblich gefunden hatten, irgendetwas mit Luke oder Gerry Serre zu tun hatten.
Mein Mann hatte mir mehr als einmal versichert, dass Carlos einen tollen Humor hätte, doch auch wenn Frank diese Seite an Carlos entdeckt hat – mir bleibt sie vollkommen verborgen. Meiner Erfahrung nach behandelt Carlos die Presse förmlich und seriös. Er dachte eine ganze Weile über mein Anliegen nach, ehe er sich äußerte. »Falls die mit dem Fall betrauten Ermittler keine Einwände haben, habe ich auch keine Einwände.« Er werde selbst mit Vince und Reed darüber sprechen und versicherte mir, er werde entweder Ben bitten, mich anzurufen, oder mich selbst zurückrufen. Formvollendet beendete er das Gespräch: »Sie sind gewiss in großer Eile, und es wäre mir unangenehm, wenn meine Behörde sich zu zögerlich gerieren würde.«
Da fing ich langsam an zu glauben, dass Frank recht haben könnte.
Ben rief mich eine knappe halbe Stunde später an, um mir – unüberhörbar frustriert – mitzuteilen, dass die Zähne seiner Meinung nach zwei verschiedenen Kindern gehört hatten.
»Weil?«
»Weil es die gleichen Zähne sind.«
»Was soll das heißen?«
»Nummernsysteme sagen dir wahrscheinlich nichts, oder?«
»Drück es in Begriffen aus, die auch unseren Lesern etwas sagen.«
»Du stellst mir aber schwierige Aufgaben.«
»Ben«, sagte ich warnend.
»Beides sind obere mittlere Incisivi des Milchgebisses, die offenbar durch Exfoliation verloren gegangen sind.«
»Ben.«
»In Ordnung – dann eben noch mal für Laien: Es sind Milchzähne. Das heißt, sie stammen von einem kleinen Kind. Verloren wurden sie durch Exfoliation, sie sind also auf ganz natürliche Weise ausgefallen, so wie jeder Mensch seine Milchzähne verliert, wenn die bleibenden Zähne kommen. Man hat vier mittlere Incisivi – das sind die vorderen oberen Schneidezähne. Die vorderen oberen Schneidezähne eines Kindes.«
»Aha, dann haben Vince und Reed also deshalb Witze über die Zahnfee gemacht.«
»Genau. Die Milchzähne fallen aus, und die bleibenden rücken nach. Nur sind diese beiden nicht vom selben Kind, da sie von exakt der gleichen Stelle im Mund stammen – es sind linke obere Schneidezähne. Sie können nicht vom selben Kind stammen, da jedes Kind nur einen solchen Zahn im Mund hat.«
»Könnte einer von ihnen von Luke Serre stammen?«
»Er ist vor zwei Jahren verschwunden, als er drei war. Wenn er damals einen seiner Schneidezähne verloren haben sollte, dann höchstwahrscheinlich durch eine Verletzung. Das scheint hier aber nicht der Fall zu sein. Manche Kinder verlieren ihre Milchzähne auf natürlichem Wege schon mit fünf. Wenn er also noch lebt, dann ist vorstellbar, dass er unter allen Kindern dieser Welt eines der beiden
Weitere Kostenlose Bücher