Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Johnson
Vom Netzwerk:
noch enger mit der Unterwelt zusammen, als der Kommodore es je gewagt hatte. Er rekrutierte Schlüsselfiguren aus der Unterwelt für die Republikanische Partei. Unter seiner Führung wurde aus gegnerischen Lagern eine schlagkräftige Einheit.
    Die Aufhebung der Prohibition im Jahr 1934 war der Anfang vom Ende der glorreichen Zeit. Zwei Jahre später schickte Präsident Franklin Roosevelt auf Drängen des Verlegers William Randolph Hearst das FBI nach Atlantic City. Die Beamten verließen die Stadt erst wieder, nachdem sie Johnson wegen Steuerbetrugs verhaften konnten. Es hatte fünf Jahre gedauert und Tausende von Arbeitsstunden gekostet. Zahllose Anklagen gegen Johnsons Verbündete, Scharen von Zeugen, die Meineide leisteten, und etliche Fälle von Bestechung der Geschworenen mussten bewältigt werden, bevor man Nucky endlich vom Thron stieß. 1941 ging er schließlich für vier Jahre ins Gefängnis.
    Die Struktur, die er zurückließ, war deutlich komplexer als die Hinterlassenschaft des Kommodores. Der nächste Boss von Atlantic City musste gleichermaßen von der Unterwelt und der Partei respektiert werden. Nuckys Nachfolger war Frank »Hap« Farley, ein irischstämmiger Amerikaner, ein exzellenter Anwalt und genau der richtige Politiker für den Job. Vor seinem Ärger mit dem FBI hatte Johnson Farley persönlich als Kandidat für die Parlamentskammer von New Jersey aufgestellt, und in den folgenden Jahren konnte sich Hap Farley mit Johnsons wichtigsten Vertrauten gut stellen. Zum einen mit Jimmy Boyd, – dem Leiter des Bezirksausschusses (Board of Freeholders) und Johnsons politischer rechter Hand –, zum anderen mit Herman »Stumpy« Orman, einem bauernschlauen Immobilienhändler und Prohibitionsgewinnler, der bestens mit den nationalen Verbrecher-Syndikaten vernetzt war.
    Farley, Boyd und Orman waren ein perfektes Team. Farley war der Anführer und kümmerte sich in New Jerseys Hauptstadt Trenton um die Öffentlichkeitsarbeit. Boyd war der Mann fürs Grobe, der Vollstrecker, der das Fußvolk bei Laune hielt, und Orman kontrollierte die illegalen Geschäfte und kassierte die Schutzgelder, die Farleys Organisation finanzierten. Boyd und Orman waren Farleys menschlicher Puffer, sie schirmten ihn von jeder direkten illegalen Aktivität ab, für die er hätte ins Gefängnis kommen können. Farley hatte die beiden von Johnson geerbt – er hätte sie ohnehin nicht austauschen können, selbst wenn er gewollt hätte.
    Die Beziehung zu Boyd und Orman ermöglichte es Farley, sich ganz seinem Beruf als Volksvertreter zu widmen. Er beschäftigte sich intensiv mit den Problemen seiner Stadt und zögerte nicht, seine Macht zugunsten von Atlantic City einzusetzen. Er entschied über alle Wirtschaftsfragen, und während seiner dreißig Jahre als Senator von Atlantic County gelangen ihm so viele Projekte, dass er schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Seine langjährige Erfahrung und seine meisterliche Beherrschung parlamentarischer Spitzfindigkeiten machten ihn zu einer unüberwindbaren politischen Kraft. Farley hatte den Senat so fest im Griff, dass es politischer Selbstmord gewesen wäre, ihm entgegenzutreten. Selbst Gouverneure kamen nicht an ihm vorbei, wenn sie etwas bewirken wollten. Zu Farleys Leidwesen musste er den größten Teil seiner Anstrengungen als Politiker darauf verwenden, seine Stadt vor dem Untergang zu bewahren. Er hätte genauso gut versuchen können, Ebbe und Flut aufzuhalten, denn Atlantic City und sein Reichtum fielen wie Hap Farley selbst der Modernisierung nach dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Farley klebte noch ein bisschen länger an der Macht, aber 1971 wurde auch er von einem Demokraten abgelöst.
    Die ersten Jahre nach Farleys Sturz wurden von dem verzweifelten Versuch geprägt, die Stadt durch die Eröffnung großer Spielkasinos wiederzubeleben. Dass man 1976 eine eigene bundesstaatliche Volksabstimmung zur Legalisierung von Glücksspiel in Atlantic City ins Leben rief, war typisch für diese Stadt und ihren Hang zur Selbstüberhöhung. Das Glücksspiel und das Geld, das es in die Stadt schwemmte, haben dem tristen Boardwalk wieder etwas Leben eingehaucht, und man befindet sich auch im nationalen Ansehen wieder auf dem aufsteigenden Ast. Aber egal, wie dieses urbane Experiment ausgeht, Atlantic City wird immer ein Geschöpf jener »Tugenden« sein, die es einst groß werden ließen.

1

    Ein Dorf am Strand
    Die Heilkunst war ihm nicht genug, er wollte mehr sein als nur ein gewöhnlicher

Weitere Kostenlose Bücher