Sein
Das Feierabendspiel
Lachend versuchte Nadine sich aus der Umarmung ihres Ehemanns zu befreien. Prinzipiell hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass er Sex haben wollte. Einen aufregenderen Liebhaber als ihn gab es nicht. Jedenfalls war sie vor ihm nie mit einem zusammen gewesen, der mehr Leidenschaft und Fantasie gezeigt hatte. Zudem hatten sie sich drei Tage lang nicht gesehen, weil Laurin geschäftlich unterwegs gewesen war, weshalb ihr Hunger nach intimem Zusammensein groß war.
Laurin löste mit einer Hand seine Krawatte, ohne den Druck des anderen Armes, den er um ihre Taille geschlungen hatte, zu lockern. Als Rechtsanwalt war er stets makellos gekleidet, wie es bei Gericht und Kundschaft von ihm erwartet wurde, ohne dabei zu steif und unnahbar zu wirken. Seine Anzüge waren modern geschnitten und machten ihn zu dem, was er war: ein etwas eigenwilliger und zuweilen recht strenger, für Nadine aber vor allem liebenswerter Mann.
»Komm schon, hast du mich denn nicht vermisst?«
»Du weißt, dass ich dich immer vermisse.« Nur – der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. In nicht mal einer Dreiviertelstunde hatte sie ihren Termin und sie wollte auf keinen Fall unpünktlich sein oder unter Stress nach einem Parkplatz suchen müssen.
Was für ein Zufall, dass sie und Laurin sich ausgerechnet jetzt im Eingangsbereich ihres Hauses begegneten. Gerade als Nadine aus dem deckenhohen Schuhschrank die Wahl unter ihren unzähligen Pumps traf, hatte sich sein Schlüssel im Türschloss gedreht.
»Nicht jetzt, mein Schatz. Ich muss los, sonst komme ich zu spät.«
»Wieso bist du ausgerechnet heute verabredet?«, grollte Laurin mit tiefer Stimme. »Und mit wem?«
»Du hast mir nicht gesagt, dass du früher nach Hause kommst.« Nadine verstand sich ausgezeichnet darauf, mit leicht vorgeschobener Unterlippe die Unschuld in persona zu geben, für den Fall, dass sie ihm einfach nicht richtig zugehört und vergessen hatte, wann genau er heimkommen würde. »Und ich habe einen Termin bei der Kosmetikerin ausgemacht, die Sophie mir empfohlen hat.«
Laurin ergriff ihre Handgelenke und zog ihr behutsam ihre Arme auf den Rücken. Nadine wusste, was er vorhatte und dass Widerstand zwecklos sein würde.
»Nicht jetzt«, wehrte sie in einem letzten Versuch lachend ab. »Wir haben doch noch den ganzen Abend Zeit für uns.« Es war schwer, seiner dominanten Ausstrahlung zu widerstehen, wenn er sie mit diesen blitzenden Augen verschlang.
»Meine Lust kann nicht solange warten. Ich will dich jetzt«, knurrte er. »Während der ganzen Fahrt habe ich an nichts anderes gedacht als an dich und deinen weichen aufregenden Körper.«
Das war bestimmt eine reichlich übertriebene Behauptung. Wahrscheinlich hatte er vor allem über das Symposium nachgedacht, dass ihn drei Tage und fünfhundert Kilometer von ihr fortgebracht hatte. Dennoch war die Vorstellung aufregend, er wäre voller Ungeduld nach Hause geeilt. Nur ihretwegen.
In ihrem Schoß setzte ein begieriges Kribbeln ein. Sein heißer Atem streifte ihre Ohrmuschel und sein Zweitagebart schabte an ihrer Wange. Nur wenn er keine Gerichtstermine hatte, verzichtete er gerne mal einige Tage auf das ihm lästige Rasieren, wodurch er ein wenig verwegener als sonst aussah. Entschlossen zerrte er seine Krawatte unter dem Hemdkragen hervor und schlang sie ihr um die Handgelenke. Ob das gute Stück vom Knotenbinden ruiniert würde, war ihm vermutlich egal. Vielleicht würde es ihm später leid tun, vielleicht auch nicht. Er besaß eine ganze Sammlung davon, für jeden Anlass und zu jeder Kleidung passend. Und im Improvisieren war er ein Meister, wenn die nötigen Utensilien nicht greifbar waren, das wusste sie.
Nadine entfuhr ein lüsternes Keuchen. Diese einfache Geste genügte, ihr das Gefühl zu geben, sie sei ihm ausgeliefert. Was folgen würde, war klar. Sex. Ob sie nun Einwände hatte oder nicht. Er brauchte nur eine Hand zwischen ihre Schenkel schieben und würde sofort fühlen, wie sehr sie sich nach ihm verzehrte.
Trotz alledem wurde dieses Spiel nie langweilig, denn stets war es ein wenig anders. Noch hatte er nicht alle Überraschungsmomente ausgeschöpft und sie hoffte inständig, dies würde auch niemals geschehen. Es war viel zu aufregend, nicht jeden seiner Schritte vorhersehen zu können. Würde er diesmal sofort zur Sache kommen, um ihr nicht den Termin zu vermasseln? Oder würde er sie erst recht die Treppe hinauf ins Schlafzimmer schieben, oder gar über seine Schulter
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