Bob und wie er die Welt sieht
einfach!«
Das Straßenvolk hat eine eigene Sprache. Ein Blick oder ein Gesichtsausdruck kann hundert Worte ersetzen. Er verstand mich sofort, grummelte zwar böse vor sich hin, aber dann stand er auf und zog Leine. Dass ich ihn ertappt hatte, gefiel ihm gar nicht. Er verschwand Richtung Shaftesbury Avenue, wahrscheinlich um sich dort ein anderes Opfer zu suchen.
Sobald der Kerl weg war, entspannte sich Bobs Körperhaltung und er zeigte das übliche Interesse an seinen Katzensnacks.
»Keine Angst, mein Junge«, beruhigte ich ihn. »Den sind wir los.«
Verdienstmäßig war es ein guter Tag gewesen, und wir hatten genug Geld eingenommen, um für die nächsten Tage einzukaufen. Also packte ich zusammen, und Bob brauchte keine zweite Einladung, um auf meine Schulter zu klettern. Es war unangenehm kalt geworden.
Bob musste nur noch kurz in die Büsche, bevor wir den Bus nehmen konnten. Deshalb machten wir uns auf den Weg zu seinem Stammplatz, der Grünfläche vor dem schicken Bürogebäude auf der Endell Street.
Der kürzeste Weg dorthin führte durch eine enge, schlecht beleuchtete Gasse. Sobald wir in diese abbogen, wurde es still um uns. Auch das ist London. Je nachdem, wo man sich aufhält, kommt man in der sich vorwärts schiebenden Menschenmasse kaum voran oder man ist plötzlich allein auf weiter Flur: einer der vielen Gegensätze der Stadt.
Wir hatten die Straße gerade zur Hälfte durchquert, als Bob auf meiner Schulter unruhig wurde. Zuerst dachte ich, sein Herumgetrampel läge am dringenden Ruf der Natur.
»Nur noch ein paar Sekunden, Kumpel«, versuchte ich ihn zurückzuhalten. »Wir sind fast da.«
Aber dann spürte ich, dass er sich nur umgesetzt hatte. Er sah jetzt nach hinten und nicht, wie sonst, gemeinsam mit mir nach vorne. Das war eigenartig.
»Was ist los, Bob?«, fragte ich und drehte mich um.
Ich sah die Straße hinunter. Ein Mann sperrte gerade sein Lokal ab. Sonst war weit und breit niemand zu sehen. Alles war ruhig. Also setzte ich meinen Weg unbekümmert fort.
Bob war anderer Meinung. Irgendetwas störte ihn gewaltig.
Ich war keine zehn Schritte weitergegangen, als Bob einen Schrei ausstieß, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war ein hoher, markerschütternder Kampfschrei, wie ich ihn noch nie von ihm gehört hatte. Diesem »Woooouuuuiiiiiiiii« folgte wütendes Fauchen, das er nur unterbrach, um ein tiefes Knurren auszustoßen. »Chchchchh rrrrooooorrrr chchchchh«. Gleichzeitig spürte ich ein ruckartiges Ziehen an meinem Rucksack, dem sofort ein anderer markerschütternder Schrei folgte, diesmal aber von einem Menschen.
Ich fuhr herum, und da stand tatsächlich der Kerl, der uns auf der Neal Street beobachtet hatte. Er starrte entsetzt auf seinen Handrücken, den Bobs Handschrift zierte – eine Reihe tiefer Kratzer, aus denen bereits Blut hervorquoll.
Was war passiert? Der Dummkopf wollte uns tatsächlich ausrauben, aber er hatte nicht mit Bob gerechnet. Der hatte ihm bei dem hinterhältigen Angriff mit seinen scharfen Krallen eins übergezogen. Nein, er hatte sie ihm richtig tief in den Handrücken geschlagen und dabei seine Haut aufgerissen.
Und Bob war immer noch in Kampfstimmung. Er stand mit aufgeplustertem Fell auf meiner Schulter und knurrte und fauchte unseren Angreifer weiter an.
Doch der Typ hatte noch nicht genug. Er versuchte, mich mit einem Faustschlag zu erwischen, aber ich konnte ausweichen. Das war gar nicht so einfach mit Bob auf der Schulter. Während Bob versuchte, sich auf meiner Schulter zu halten, verpasste ich meinem Gegner einen Tritt gegen das Schienbein. Ich hatte meine schweren Doc-Martens-Stiefel an und erzielte damit die gewünschte Wirkung. Der Mann ging kurz in die Knie vor Schmerz.
Leider hatte er sich schnell wieder gefangen. Einen Moment standen wir uns gegenüber und brüllten uns an.
Er traute sich tatsächlich, mir Bobs Abwehrreaktion vorzuwerfen: »Diese verfluchte Katze! Schau mal, was sie mit meiner verdammten Hand gemacht hat.« Dabei wedelte er mit seinem blutenden Arm anklagend vor meinem Gesicht herum.
»Das geschieht dir doch ganz recht, du hast schließlich versucht, mich zu beklauen!«, schrie ich zurück.
»Ich bringe das blöde Vieh um, wenn es mir noch mal in die Quere kommt!«, drohte er Bob mit erhobener Faust. Dann schaute er sich suchend um. Er hob einen Stock vom Boden auf und bedrohte mich damit. Bob knurrte und fauchte auf meiner Schulter wie verrückt. Wäre er nicht mein Bob, ich hätte Angst vor
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