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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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tatsächlich. »Ich schau ihn mir an«, nickte er.
    Inzwischen hatte sich eine Menschentraube von Schaulustigen um uns gebildet, und die Bodyguards wurden langsam nervös. Viele Leute machten Fotos. Aber diesmal stand nicht Bob im Mittelpunkt.
    »Kinder, wir müssen jetzt wirklich weiter«, sagte die Frau an seiner Seite. Mittlerweile war mir auch eingefallen, wer sie war. Seine neue Ehefrau, Nancy Shevell, mit der er erst seit letztem Herbst verheiratet war. Auch sie war überhaupt nicht hochnäsig oder herablassend.
    »Passen Sie gut auf sich auf, Mann, und alles Gute!«, verabschiedete sich Sir Paul, hakte sich bei seiner Frau unter und verschwand mit seinem Gefolge in der Menge.
    Als er weg war, wurde mir schwindelig. Ein kleiner Schwächeanfall nach der unverhofften Begegnung mit einem echten Star, den ich schon immer sehr bewundert hatte. Nach diesem einschneidenden Erlebnis schwebte ich auf Wolke sieben, für den Rest des Arbeitstages und auch noch auf dem Heimweg.
    Natürlich gab es nicht die geringste Chance, dass Sir Paul McCartney zu meiner Signierstunde kommen würde. Warum sollte er das tun? Ich war sowieso der Meinung, dass keiner kommen würde. Aber zum ersten Mal kümmerte mich das nicht mehr. Sollte mein Buch ein Flop werden und sich nur fünf Stück an Freunde und Verwandte verkaufen, so hatte es mir bereits das Unmögliche ermöglicht: ein persönliches Gespräch mit einem der Beatles.
    *
    Bob erregte zwischenzeitlich so viel Aufsehen, dass wir oft von seinen Bewunderern umringt waren. Am späten Montagnachmittag nach meiner Begegnung mit den McCartneys stand eine Gruppe spanischer Studenten vor uns, die mit ihren Kameras und Handys viele Fotos machten. Ich lernte gern neue Leute kennen, deshalb gefiel mir die Arbeit als Straßenmusiker ja so gut. Aber wenn man sich mit den Passanten unterhält, verliert man seine Umgebung aus den Augen, und das darf man sich auf der Straße nicht erlauben. Der kleinste Moment von Unachtsamkeit kann gefährlich werden.
    Als die Gruppe sich Richtung Covent Garden verabschiedete, setzte ich mich zu Bob auf den Bürgersteig und bot ihm ein paar Leckerchen an. Es wurde langsam dunkel und damit auch wieder kälter. Morgen war unser große Tag: die Signierstunde in der Buchhandlung. Ich wollte früh zu Bett gehen, auch wenn ich bestimmt nicht gut schlafen würde in dieser Nacht. Ich wollte auch Bob nicht länger der Kälte aussetzen. Als ich ihn streichelte, spürte ich seine angespannte Haltung. Die Leckerchen interessierte ihn nicht, und das war immer ein Zeichen, dass etwas nicht stimmte. Stattdessen starrte er wie gebannt über die Straße. Etwas – oder auch jemand – störte ihn. Ich folgte seinem Blick und blieb an einem grobschlächtigen Kerl hängen, der auf der anderen Straßenseite saß und zu uns herüberstarrte.
    Wenn man seinen Lebensunterhalt auf der Straße verdient, entwickelt man einen sechsten Sinn für Gefahren. Einen faulen Apfel erkannte ich sofort. Und dieser Typ war von der schlimmsten Sorte. Er war etwas älter als ich, wahrscheinlich Ende dreißig. Seine Jeans waren zerschlissen und die Jacke schmuddelig. Er saß im Schneidersitz auf dem Gehweg, rollte sich gerade eine Zigarette und schlürfte billiges Dosenbier. Ich wusste sofort, warum er uns beobachtete: Er wollte herausfinden, wie er mir die schwer verdienten Tageseinnahmen abknöpfen konnte.
    In den letzten paar Minuten hatte fast jeder der spanischen Studenten und auch noch ein paar andere Passanten Münzen in meinen Gitarrenkasten geworfen. Ein gut gekleideter Schwarzer hatte sogar einen Fünfer springen lassen. In der letzten halben Stunde haben wir bestimmt um die 20 Pfund eingenommen. Aus schlechter Erfahrung vorsichtig geworden, ließ ich nie viele Münzen offen herumliegen. Das meiste hatte ich bereits aufgesammelt und in meinem Rucksack verschwinden lassen. Aber dabei hatte er mich bestimmt beobachtet.
    Die Gefahr hatte ich dank Bob erkannt, aber solange er nicht näher kam, konnte ich auch nichts unternehmen. Schließlich war ich früher selbst in seiner Situation gewesen. Ich wusste, wozu man aus Verzweiflung fähig war. Er könnte mir zwar gefährlich werden, aber solange er mir vom Leibe blieb, wollte ich ihn mangels Beweisen nicht vorverurteilen. Lass ihn den ersten Schritt machen und all das, redete ich mir ein.
    Sicherheitshalber sah ich auffällig hinüber und gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen: »Ich habe dich gesehen und ich weiß, was du vorhast. Vergiss es

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