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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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laut und vernehmlich, als ich mich zu ihm hinunterbeugte, um ihn zu streicheln.
    Dann setzte er sich vor mich hin und sah mich erwartungsvoll an. Das hieß so viel wie: »Können wir jetzt ein bisschen spielen?« Ich kannte diesen Blick. Also steckte ich die Hand in meine Hosentasche und holte ein Leckerchen hervor. Sofort stellte sich Bob auf seine Hinterbeine und umfasste mein Handgelenk mit seinen Pfoten. Ich ließ die Belohnung in sein Mäulchen fallen und erntete damit ein hörbares »Aaaahhhh« vom Publikum hinter mir.
    Manchmal konnte Bob eben selbst mich noch überraschen mit seinem Gespür für Stimmungen. Das war einer dieser Momente. Bob hatte das Publikum auf seine Seite gezogen. Er hat allen seinen Standpunkt klargemacht: »Ich gehöre zu James und bin sehr glücklich bei ihm. Und wer etwas anderes behauptet, hat unrecht. Ende der Geschichte!« Die meisten Zuschauer hatten sein Verhalten genau so verstanden. Ein paar der Gesichter kannte ich, es waren Kunden, die regelmäßig The Big Issue bei mir kauften oder stehen blieben, um Bob zu streicheln. Endlich kamen sie uns zu Hilfe und sagten der seltsamen Lady die Meinung.
    »Wir kennen diesen jungen Mann, der ist in Ordnung«, meldete sich ein jüngerer Geschäftsmann im Anzug zu Wort.
    »Ja, lassen Sie die beiden in Ruhe. Sie belästigen niemanden, und er behandelt seinen Kater wirklich gut«, bestätigte eine andere Zuschauerin. Ein paar der anderen Umstehenden nickten zustimmend. Niemand ergriff Partei für die Frau im Tweedkostüm.
    Ihre Miene sprach Bände. Ihre Gesichtsfarbe war auf dem besten Weg von Rot zu Violett. Sie schimpfte und nörgelte zwar weiter, aber ihre Worte ergaben keinen Sinn. Endlich war der Groschen bei ihr gefallen. Sie musste sich eingestehen, dass sie diese Schlacht verloren hatte. Wütend machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand zum zweiten Mal in der Menge. Dieses Mal – glücklicherweise – ohne Wiederkehr.
    »Alles okay, James?«, fragte einer aus der Menschentraube um uns herum, als ich mich hinkniete, um mir Bob genauer anzusehen. Er schnurrte laut wie eine gut geölte Harley und atmete ganz ruhig. Er schien sich bei seinem Sturz auf den Boden nicht verletzt zu haben.
    »Mir geht es gut, danke«, antwortete ich, obwohl das nicht ganz stimmte. Ich hasste es, als Ausbeuter von Bob hingestellt zu werden. Es verletzte mich jedes Mal zutiefst. Ich war nun mal ein Straßenverkäufer, und Bob wollte immer bei mir sein, egal, wo ich hinging. Ich wusste das genau, denn er hatte das immer wieder mit Nachdruck eingefordert. Momentan musste er daher wohl oder übel seine Tage mit mir auf der Straße verbringen. Das war mein Leben, und es gab keine Alternative.
    Leider waren wir dadurch ständig dem Urteil von Fremden ausgesetzt. Zum Glück waren uns die meisten Menschen wohlgesinnt. Aber Neider würde es immer geben, und ich hatte gelernt, damit umzugehen.



3
Das Bob-Mobil
    A n einem milden Frühsommernachmittag konnte ich tatsächlich mal früher Schluss machen. Die Sonne hatte unsere Mitmenschen aufgetaut und ich profitierte von ihrer guten Laune. Alle meine Zeitschriften waren binnen weniger Stunden ausverkauft.
    Seit ich vor zwei Jahren als Big Issue -Verkäufer angefangen hatte, hatte ich gelernt, mit meinem Geld hauszuhalten. Deshalb wollte ich von einem Teil meines Verdienstes auch gleich meinen Vorrat für den Rest der Woche aufstocken. Mit Bob auf der Schulter schaute ich daher auf dem Heimweg noch bei Rita vorbei. Sie war die Big Issue -Vertriebsleiterin auf der Nordseite der Islington High Street. Schon von Weitem sah ich sie, umringt von einer Gruppe von Verkäufern in ihren roten Warnwesten. Sie begutachteten etwas, was ich nicht sehen konnte. Erst als sich bei meinem Eintreffen die Gruppe teilte, sah ich das Fahrrad, das offenbar Gegenstand der Diskussion war. Rita und ich kamen gut miteinander aus, also konnte ich es mir erlauben, sie ein bisschen aufzuziehen.
    »Hey, Rita, was hast du vor? Willst du bei der Tour de France mitradeln?«, witzelte ich.
    »Nicht wirklich, James«, schmunzelte sie. »Ein Verkäufer hat das Fahrrad gerade für zehn Zeitschriften eingetauscht. Dabei weiß ich gar nicht, was ich damit anfangen soll, ich steh’ nämlich gar nicht aufs Radfahren.«
    Das Fahrrad, um das alle herumstanden, hatte seine besten Zeiten schon hinter sich. Der Lenker war rostig, das Vorderlicht hatte einen Sprung. Der Lack des Rahmens splitterte ab, und als wäre das noch nicht genug, war das Schutzblech

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