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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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auf dem Gehweg neben uns her, Richtung Islington Memorial Green. Wir kamen an zwei Polizisten vorbei, die mich zwar verblüfft musterten, aber sie hielten uns nicht auf. Noch gab es kein Gesetz gegen das Radfahren mit Katze auf der Schulter. Zumindest hatte ich noch nie etwas davon gehört. Uns selbst wenn sie das Recht gehabt hätten, mich zu stoppen, hatten sie zum Glück gerade Wichtigeres zu tun.
    Ich wollte auf keinen Fall auf der High Street fahren, also überquerte ich an einem Zebrastreifen die Straße. Das Rad schob ich immer noch. Trotzdem zogen wir mehr Blicke auf uns als sonst. In den Gesichtern der Passanten spiegelten sich bei unserem Anblick die unterschiedlichsten Reaktionen. Von Staunen bis Heiterkeit und Skepsis war alles dabei. Einige blieben stehen und zeigten mit dem Finger auf uns, als wären wir Besucher von einem anderen Stern.
    Aber wir ließen uns nicht aufhalten. Immer noch schiebend, durchquerten wir einen Teil von Islington Green, vorbei an der Waterstone Buchhandlung, um die Essex Road zu erreichen, die Hauptstraße, die in den Norden von London führt.
    »Okay, Bob, jetzt geht’s los!«, warnte ich mein Rotpelzchen und wappnete mich gegen das unausweichliche Verkehrschaos, in das wir uns nun stürzen mussten. Wir stiegen auf, und so vorsichtig wie möglich schlängelte ich uns an Bussen, Autos sowie Groß- und Kleintransportern vorbei.
    Bob und ich hatten den Bogen schnell raus. Während ich mich auf den Verkehr konzentrierte und gleichzeitig versuchte, beim Fahren den Rücken möglichst gerade zu halten, konnte ich spüren, wie Bob auf meinen Schultern noch nach der besten Sitzposition suchte. Anstatt zu stehen, drapierte er sich klugerweise um meinen Nacken, wobei er seinen Kopf nach vorn reckte und sich gleichzeitig vor dem Wind duckte. Ganz offensichtlich wollte er diese Fahrt genießen.
    Es war etwa vier Uhr nachmittags, die Zeit, in der viele Schulen schließen. Die ganze Essex Road entlang blieben Gruppen von Schulkindern in Uniformen stehen und winkten uns zu. Ich versuchte nur einmal zurückzuwinken und verlor dabei beinahe das Gleichgewicht, was zur Folge hatte, dass Bob mir fast von der Schulter rutschte.
    »Hoppla! Tut mir leid, Kumpel. Das mache ich nicht noch mal!«, versprach ich ihm, während wir uns beide darum bemühten, das Gleichgewicht wieder zu finden.
    Immerhin kamen wir vorwärts, wenn auch manchmal nur langsam. Sobald der Verkehr stoppte und auch wir stehen bleiben mussten, riefen uns die Leute aus den umstehenden Autos zu, dass sie uns fotografieren wollten. Zwei junge Mädchen hüpften sogar aus dem Auto der Eltern, nur um Fotos mit uns zu machen.
    »O mein Gott, das ist so süß«, beteuerte die eine und lehnte sich bei ihrer Pose für das Foto so stürmisch gegen mich, dass sie uns fast umwarf.
    Ich war schon Jahre nicht mehr radgefahren und dementsprechend aus der Übung. Meine Kondition ließ auch deutlich zu wünschen übrig. Deshalb brauchte ich die eine oder andere Atempause am Straßenrand. Immer waren wir schnell von Zuschauern umringt. Die meisten lächelten verzückt, aber es gab auch ein paar unwirsche Kopfschüttler.
    »So ein Idiot«, hörte ich einen älteren Mann im Anzug murmeln, während er an uns vorüberging.
    Aber ich fühlte mich gar nicht idiotisch. Ganz im Gegenteil, das Radfahren machte richtig Spaß. Und auch Bob gefiel das neue Spiel. Er streckte seinen Kopf neben meinen in den Fahrtwind und schnurrte mir zufrieden ins Ohr.
    Wir fuhren die ganze lange Strecke bis Newington Green und von dort aus zur Kingsland Road, wo die Straße Richtung Seven Sisters weiterführt. Auf diese Kreuzung hatte ich mich schon gefreut. Bisher waren die Straßen, bis auf ein paar kleine Neigungen, ziemlich eben verlaufen. Aber ab Seven Sisters ging es fast zwei Kilometer weit bergab. Da konnte ich aufhören zu strampeln, und das Rad würde uns von ganz allein vorantragen.
    An der heiß ersehnten Kreuzung erwartete uns noch eine angenehme Überraschung: ein Fahrradweg, der noch dazu völlig leer und unbefahren war. Bob und ich flogen geradezu den Hügel hinunter. Der warme Sommerwind zerzauste uns Fell und Haar. »Wowiiii, das macht Spaß, was Bob?«, rief ich ihm zu. Ich kam mir vor wie Elliott in dem Kinofilm E.T. – nicht, dass ich abheben und über die Dächer von Nordlondon fliegen wollte, aber wir bretterten mit gefühlten 30 Stundenkilometern dahin, und das war fast wie Fliegen.
    Auf der Hauptstraße neben dem Fahrradweg dagegen ging nichts mehr.

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