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Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Titel: Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Architektur des Dekameron:

    »Nächst der Sprache ist es die Einkleidung, welche hier das Unorganische und Zufällige nahm und eine neue, einheitliche Dichtung daraus gemacht hat … Schon diese Einrahmung und Gliederung des vielfältigen Stoffes ist so meisterhaft erfunden wie durchgeführt und hat sowohl als ein in Sprache und Stimmung überaus delikates und stilreines Idyll, wie auch als authentische Schilderung des Florentiner Land- und Gesellschaftslebens im Trecento ihre selbständige und hervorragende Bedeutung. Weiterhin aber gewinnt jede einzelne Novelle dadurch sehr an Farbe und Reiz, daß sie von einer bestimmten Person und in einem bestimmten Zusammenhang vorgetragen wird. Zwischenreden, in denen die Gesellschaft sich etwa über die zuletzt erzählte Geschichte unterhält, Neckereien, Witzworte und Lieder unterbrechen den Reigen der Erzählungen belebend und anmutig, ohne jedoch zu überwuchern und zu stören. So erweist sich im Detail der Rahmenerzählung sowohl wie in der Gesamtkonzeption das Dekameron als das Meisterwerk eines genialen Dichters, mag auch die Menge seiner Stoffe aus allen Winden zusammengeweht sein.« 26
    Was Hesse in seinem Boccaccio-Essay der Frankfurter Zeitung 27 zur Apologie gegen die Kritik hinsichtlich der lasziven Frivolität im Dekameron nur am Rande artikuliert, wird in seiner Boccaccio-Monographie zu einem beredten Plädoyer:

    »Unser Novellenbuch hat das Bestreben und die Eigenschaft, ein Spiegel des wirklichen Lebens zu sein … Außerdem sind diese Stoffe von den Erzählungen so zart und mit guten Nutzanwendungen vorgetragen, teils so fein und erheiternd mit Witz und Wortspiel verziert, teils auch so burlesk und drollig, daß ihnen die natürliche Gemeinheit zum guten Teil genommen ist und daß sie bei gesunden und vernünftigen Lesern gewiß keinen Schaden anzurichten vermögen. Dazu kommt, daß neben diesen anderen so viele Geschichten voll Reinheit und Edelsinn stehen, ja auch unter denen, welche ausschließlich von der Liebe handeln, fnden sich nicht wenige Beispiele von seltener Keuschheit, Treue und Ehrbarkeit.«

    Nach Hesses Ansicht gehören explizit die derberen Possen zu Boccaccios besten Erzählungen. Aus Boccaccios Bekenntnis im Prooemium, Epilog und in der Vorrede zum vierten Tag leitet Hesse den Nachweis ab, daß selbst die delikaten Novellen keine bösartigen Invektiven implizieren. Mit gleicher Verve verwahrt Hesse Boccaccio gegen den Vorwurf der Blasphemie. Boccaccios Kritik am Klerus bewegt sich nach Hesse im Rahmen der allgemeinen Zeitkritik gegen damalige kirchliche Mißstände. Wie vehement Boccaccio die Diskrepanz zwischen Lehre und lasterhaftem Lebenswandel des Klerus anprangert, illustriert Hesse am Beispiel der Novelle I, 2 vom rechtschaffenen Juden Abraham, der die Laster der allerhöchsten Kirchenfürsten erleben muß.
    Zu den schönsten Novellen des Dekameron zählen für ihn die Erzählungen über tragische Liebe und Seelengröße. Als besonderes narratives Kleinod bezeichnet er in diesem Zusammenhang die Griseldis-Novelle (X, 10), deren poetische Vollkommenheit Hesse daran mißt, daß Petrarca sie ins Lateinische übertrug. 28 Nicht weniger fasziniert ist er von der Novelle V, 9 über den jungen Edelmann Federigo degli Alberighi und seinen Falken:

    »Diese Erzählung stellt, ohne ein einziges überfüssiges Wort, eine edle und treue Liebe dar, welcher kein Opfer je zu groß ist, und dies ist mit einer so feinen, wehmütigen Einfalt erzählt, daß es schwerlich sonst je einem Dichter gelungen ist, mit so bescheidenen Worten das Herz des Zuhörers so mächtig zu ergreifen.« 29

    Ebenso ergreifend wirkt auf Hesse die Erzählung IV, 6, in der ein Mädchen ihren toten Geliebten auf ein Seidentuch bettet und den Leichnam mit Rosen zudeckt.
    Interesse bezeugt Hesse an den Novellen über die Gepfogenheiten von Kaufeuten in exotischen Seestädten, über das Gebaren betrügerischer Dirnen in Palermo (VIII, 10) und über köstliche Tafelfreuden (X, 6).
    Als Meisterstück erzählerischer Darstellungskunst bezeichnet er die Schilderung der Pestepidemie zu Beginn des Dekameron. Den Schwank hat Boccaccio nach Hesses Auffassung unübertrefich gestaltet. Mit wenigen Strichen konturiert Hesse die Schwanke, die sich um den Witzbold Michele Scalza (VI, 6), die Maler Bruno und Buffalmacco und ihren Freund Maso del Saggio ranken (VIII, 3, 6, 9; IX, 3, 5). Der köstlichste Schwank ist für Hesse unbestritten die Novelle vom Bruder Cippola. Welche Faszination

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