Bodenrausch
zentrales Anliegen dieses Buches.
Heißer als Gold. Die Jagd beginnt
»Wie Gold, nur heißer«, so schätzt der kanadische Investmentbanker Chris Mayer die zukünftige Bedeutung des Bodens ein. Von seinem Büro in Vancouver aus kann er weit ins Land sehen. Was früher bestenfalls einen Farmer interessiert hätte, bewegt heute auch die Finanzwelt. 1
Chris Mayer schreibt für das Fachblatt Capital & Crisis . Hohe Kapitalrenditen sind seine Stärke. Seinen Anhängern verschaffte er schon Renditen von 114 Prozent. Das spricht für sein Urteilsvermögen beim richtigen Anlegen von Kapital in der Krise. Chris Mayer empfiehlt Boden als Retter vor den Krisen, die uns noch ins Haus stehen. Die Finanzkrise, die längst nicht überwunden ist, die Ernährungskrise, die sich mit jedem Tag weiter aufschaukelt, die Krise der Ölmärkte, deren Vorräte ihrem Ende entgegengehen, und schließlich die Weltklimakrise, auf deren Höhepunkt wir zusteuern. Vier Krisen, vier verheißungsvolle Chancen für die Anleger.
Im Boden liegt zu Beginn des 21. Jahrhunderts mehr Profit als auf den Goldfeldern, behaupten die Fundamentalisten der Finanzmärkte. Das heizt die Spekulation weltweit an. Schürt Visionen von den ganz großen Geschäften auf den landreichen Kontinenten. In Südamerika – vor allem in Brasilien –, Afrika, Südostasien und Osteuropa liegen die »Bodenbanken« der Welt und die »Ölfelder« der Zukunft. Dass es Opfer geben wird bei der Jagd auf die Äcker der Welt, schlägt in der Kalkulation der Investmentbanker nicht zu Buche. Dass Existenzen vernichtet, Familien entwurzelt werden, ganze Landstriche verelenden und die politische Stabilität ganzer Erdteile untergraben werden könnte, ist nicht ihr Geschäft. 2
Aber das ist Thema dieses Buches. Es beschreibt im ersten Teil eine Welt, die den Boden unter den Füßen verliert und damit zunehmend aus der Balance gerät. Die Bühne, auf der die Tragödie vom Bodenrausch spielt, ist global. Diese Einführung zeichnet zunächst das große Bild der Zusammenhänge und Hintergründe, sie soll das einordnen, was uns in den weiteren Kapiteln beschäftigen wird: Wohin führt dieser globale Bodenrausch? Wer sind die Profiteure, wer die Leidtragenden? Was treibt den Boom an, und was könnte ihn ausbremsen? Welche Chancen eröffnet die Wissenschaft, um verlorenen Boden wiedergutzumachen? Welche Spielräume bleiben der Politik, um den Boden vor dem Diktat der Kapitalmärkte zu retten? Wie kann sich die Zivilgesellschaft gegen den Angriff auf die Basis ihrer Ernährung wehren? Kann der Boden weiterhin Privatsache bleiben, wenn er zum Spielball von Renditejägern wird?
Mittlerweile haben sich Tausende in den Markt eingeklinkt, Millionen von Hektar Land sind auf dem Weg in neue Hände, Milliarden von Dollar liegen bereit, um die Konten zu wechseln, schätzungsweise 40 Prozent der Ackerflächen der Welt stehen zum Verkauf. Ein Bodenrausch ohne Beispiel steht an – mit dramatischen Folgen für die Weltgemeinschaft.
LANDLORDS IM AUFBRUCH
Begonnen hat der Run auf den Boden in den Jahren 2007/2008. Die Preise für Reis, Weizen, Mais und Speiseöl schossen innerhalb weniger Wochen bis um das Dreifache in die Höhe. Der Ölpreis durchschlug die magische Grenze von 140 US-Dollar pro Barrel. Zeitgleich brachen die Finanzmärkte zusammen. Seither entwickelt sich der Boden von einem Stück Dreck zu einer der begehrtesten Sicherheiten der Welt.
Von 2008 an nahmen innerhalb von 24 Monaten Finanz-, Rohstoff- und Agrarkonzerne eine Fläche von der Größe Frankreichs in Besitz. 3 Nach Schätzungen der Weltbank stand 2010 mehr als ein Drittel des Weltbodenvorrats auf der Einkaufsliste einer neuen Kaste von Kolonialherren, und das ist erst der Beginn des Booms. Die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam konstatierte 2011, dass ein Gebiet von der Größe Westeuropas bereits den Besitzer gewechselt hat. Seither formieren sich ganze Jagdgesellschaften und stecken ihre Reviere ab. Besonders begehrt ist der Boden dort, wo er noch preiswert ist, beispielsweise in Afrika, aber nicht nur da. Auch im alten Europa blasen sie zum Aufbruch, auch Deutschland bleibt vom Bodenrausch nicht unberührt.
Selbst im bodenständigen Ostfriesland klagen Bauern über Banker, die sich über die friesische Krume hermachen. Anlagekapital auf der Pirsch nach angeschlagenen Höfen, nach Bauern, die mit ihrem Einkommen schon seit Jahren nicht mehr über die Runden kommen. Die Opfer der europäischen Tiefpreispolitik
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