Bodenrausch
biologisch-technischen Fortschritt erreichen. Was bleibt, ist nur der Rückgriff auf »Neuland«. Woraus sich noch mehr Stress für den Weltbodenmarkt ergibt.
Und schließlich ist da noch der Durst auf Agrosprit. Auf dem Weg zum Ende des Erdölzeitalters opfert Europa ein Fünftel der Getreideernte seiner Pkw- und Lkw-Flotte, die USA verspritten heute schon ein Drittel ihrer Maisfelder. Die Umwandlung vom Acker zum Ölfeld treibt die Preise, der steigende Ölpreis bestimmt das Niveau und heizt die Konkurrenz um den Boden weiter an. Damit schließt sich der Teufelskreis.
Ein Dilemma ohne Ausweg? Wie kann der globale Bodenrausch gestoppt werden? Darum geht es im dritten Teil dieses Buches.
WEGE AUS DEM GLOBALEN DILEMMA
Wenn Angebot und Nachfrage zu einer neuen Balance finden könnten, würde das, zumindest theoretisch, den Bodenmarkt entlasten? Ist eine Annäherung der auseinanderstrebenden Kurven von Ernte, Tank und Teller überhaupt noch denkbar, geschweige denn möglich?
Die Vertreter des »Business as usual«, die sogenannten Realisten, verweisen auf ihre Pläne – Blaupausen, die auf Großtechnik und das große Geld setzen. Sie kümmern sich nicht mehr um verlorenes Terrain, sondern gießen Neuland in Beton. So wie in Dubai am Rande der Sahara, wo nach den Plänen eines australischen Architekturbüros künftig Getreide- und Obstplantagen hoch oben auf einem gigantischen Dach über der Stadt gedeihen sollen.
Auch die agrarwissenschaftliche Fakultät der Universität Stuttgart-Hohenheim kultiviert Visionen von Hochhäusern aus Stahl und Beton mit Etagen voller Getreide, Gemüse, Kleinvieh, Kühe und Schweine. Sie könnten in Zukunft das Rückgrat der Nahversorgung ganzer Megastädte bilden und das Umland entlasten.
Doch wer so Neuland schafft, hat offensichtlich jede Hoffnung auf die Regeneration des Bodens – es geht immerhin um mehr als ein Drittel der Ackerfläche der Welt – aufgegeben und die Selbsterhaltungskräfte der Natur, die Erfahrungen unserer Vorfahren abgeschrieben. Dabei gibt es Wege aus dem globalen Dilemma, nur – sie werden bisher von der Politik und der Lobby der industriellen Landwirtschaft ignoriert.
Durchaus lohnend ist ein Blick in die Geschichte der Bodenbearbeitung. Wertvolles Wissen früherer Generationen ist heute in Vergessenheit geraten. Schon die Inkas verstanden, was Bodenfruchtbarkeit bedeutet, wie sie sich erzeugen und bewahren lässt. Sie konnten den Stoff, aus dem das Leben wächst, selbst herstellen, ohne Milliarden zu investieren. Auf Terra Preta bauten die Völker Amazoniens zur Zeit der Inkas ihr Reich. Hier wuchsen üppige Ernten, die behandelten Böden kamen mit tropischen Regenfällen ebenso gut zurecht wie mit Hitze und Dürre. Sie konnten Überschwemmungen ableiten, aber auch Wasser speichern, wenn Trockenheit drohte. Mit dem Ende ihres Reiches geriet ihr Geheimnis um die Terra Preta in Vergessenheit. Doch in jüngster Zeit kommen ihre Erkenntnisse wieder zum Tragen.
Noch sind es kleine Projekte, aber das Rezept der Terra Preta hat Potenzial, ebenso wie eine Bodensanierung, die auf die Kraft des Mikrokosmos im Boden zurückgreift: auf Bakterien. Die Idee stammt aus Japan.
Professor Teruo Higa hat an seinem Institut einen Cocktail aus Bakterien entwickelt, die auch in Bier, Brot, Joghurt und Käse zu Hause sind. Diese Effektiven Mikroorganismen (EM) vollbringen wahre Wunder. Ganze Ökosysteme, die aus der Balance gekippt sind, können mit ihrer Hilfe wiederbelebt und stabilisiert werden.
Nur eines gelang ihnen bislang nicht, Gehör bei den Vertretern der »traditionellen« Agrarwissenschaft und der großen Agrarkonzerne zu finden.
Mit Holzkohle und Bakterien verlorenen Boden zu retten, das ist die Ultima Ratio, das letzte Mittel der Bodenmedizin. Vorbeugen wäre wirkungsvoller, dafür stehen die Ideen einer neuen ökologischen Landwirtschaft. Kritiker bezweifeln ihre Zukunftsfähigkeit wegen zu geringer Erträge. Tatsächlich kennen wir aber heute bereits Beispiele, wie man zugleich effizient und bodenfreundlich wirtschaften kann.
Neben Sanierung und Vorsorge gibt es weitere Hebel, um dem Problem der Bodenknappheit zu begegnen. Allein das Missmanagement bei allen Gliedern unserer Nahrungskette verschlingt mehr als die Hälfte der Ernten. Den Beweis liefern die Abfallcontainer unserer Supermärkte. Brot in ganzen Laiben, Würste am Stück und Käse, originalverpackt, ruhen da neben Joghurt, Bananen und Schweinebraten, in Folie eingeschweißt. Opfer von
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