Bodenrausch
sind leicht zu erkennen an heruntergekommenen Ställen, abgewirtschafteten Maschinen und baufälligen Wohnhäusern, die sich an den letzten Anstrich nicht mehr erinnern können. Wenn es hier klingelt, geht es um Geschäfte, zu denen die wenigsten Nein sagen können. Das entscheidende Wort heißt »Überschuldung«, was droht, ist Zwangsversteigerung. Die Jagdfreunde kennen Notare, Notare kennen Grundbücher und können im Zweifel jetzt und gleich einen Termin frei machen zum Vertragsabschluss.
Wem das zu mühsam ist, wer nicht direkt investieren will, der wählt den diskreten Weg über Fonds und Beteiligungen. Hier wächst der Markt schnell. Deutsche Banken und Versicherungen spielen in der ersten Liga, nicht nur auf deutschem Boden.
Der Trend zum goldenen Boden setzt sich außerhalb der deutschen Grenzen fort, massiver und in noch viel größeren Dimensionen. Die deutsche Menschenrechtsorganisation FIAN deckte 2010 auf, dass mehr als 13 deutsche Fonds die Landwirtschaft zu ihrem Zielgebiet erklärt haben. Fast alle sind in den Krisenjahren 2007/2008 und später aus dem Boden der deutschen Finanzlandschaft geschossen. Sie haben 2010 1,5 Millionen Hektar Land in Afrika und Lateinamerika gekauft oder gepachtet, auch in Hungerstaaten wie Äthiopien oder der Demokratischen Republik Kongo. 4 Die Geldgeber kommen überwiegend aus Europa.
Das Gefälle bei den Bodenpreisen beflügelt aber auch Investmentbanker aus anderen Teilen der Welt: zum Beispiel die indische Agrarholding Karuturi Global. Sie wirbt neue Anleger mit einer Rendite von 30 Prozent. 5 Das ist ein schrilles Signal, ein Menetekel für die kommende Knappheit an Boden weltweit. Dabei liegt Karuturi Global noch am unteren Rand des Möglichen. Makler auf dem Londoner und New Yorker Parkett haben mehr zu bieten und überschlagen sich in ihren Gewinnprognosen.
Neben den Bankern sucht eine weitere Gruppe von Investoren nach Bodenhaftung: die Energiewirtschaft. Was sie treibt, ist das Ende des Rohöls, was sie interessiert, ist die lukrative Aussicht, die entstehende Lücke mit Agrosprit, Agrodiesel und Agrogas zu füllen.
Die Ölfeld-Stimmung hat das platte Land zwischen Rhein und Oder, Donau und Elbe längst erfasst. Hoch subventionierte Gasfabriken wachsen am Rande der Felder in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Auch die Großen der Branche wie E.ON sind mit von der Partie. Gegen die Energiefabriken im Grünen formiert sich zwar Widerstand, aber bislang ohne großen Erfolg.
In anderen Regionen der Republik wachsen Solarmodule auf Äckern und Weiden. Vor allem im Süden, wo die Sonne mehr hergibt, versucht die Solarwirtschaft seit 2008, die Landwirtschaft auszubooten. Zum Beispiel in der Gemeinde Feldkirchen bei Straubing. Hier fühlen sich die Bürger von einem 180 Hektar großen Solarpark bedrängt, der auf dem Land des Fürstenhauses Thurn und Taxis entstehen soll.
Die Furcht geht um, dass Energie- und Rohstoffkonzerne mit ihren prall gefüllten Kassen über Land ziehen könnten und in den Hinterzimmern verrauchter Bauernschenken das Geschäft mit dem Land der Bauern machen. Pachten oder kaufen ist gar nicht mehr die Frage, die die Nachbarn bewegt. Sie fragen sich, wo sie in Zukunft bleiben sollen. Existenzangst geht um.
Wie die Gas- und Stromfabrikanten verlangen auch die Agrospritfabriken ihren Anteil an den Bodenreserven der Welt. Die Ölfelder der Zukunft liegen an Land, denn die Tiefen der Meere sind ein unsicheres Terrain. Das hat 2010 die Explosion der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko gezeigt. Die Zeiten des leichten Öl-Gewinns gehen zu Ende, und je klarer das wird, desto gieriger suchen die Konzerne nach neuen Quellen. Agrosprit, also Ethanol aus Mais und Zuckerrohr oder Diesel aus tropischen Palmenwäldern oder heimischem Raps, rückt auf der Liste ihrer Begehrlichkeiten immer weiter nach oben. Der Run auf neue »Öl-Felder« wächst. Mehr als die Hälfte der Landnahme weltweit geht auf Rechnung der Agrospritindustrie. Und die steigenden Preise an den Energiemärkten treiben die Suche nach oberirdischen Energiefeldern weiter voran. 6
Der Gürtel der zukünftigen Ölfelder lässt sich heute schon erkennen, er zieht sich einmal rund um den Globus. Je näher am Äquator, desto größer die Sonnenausbeute und desto größer die Energiegewinne. Brasilien entwickelt sich zur Tankstelle der USA, und Afrika und Südostasien werden zur Raffinerie für Europa, solange China und Indien noch in
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