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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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1
     
    Der alte U-Bahn-Tunnel war der perfekte Ort. Desoderia liebte die kalte, finstere Röhre, die grauen Betonwände, bedeckt mit Spinnweben und dem Staub eines halben Jahrhunderts. Die Schienen wie die Höllenversion eines roten Teppichs. Armdicke Rohre und Kabel schlängelten sich an der Wand entlang. Ratten, groß wie Hundewelpen, huschten über die Gleise. Das Schaben der winzigen Krallen auf dem Kies klang wie Musik in ihren Ohren. Die Notbeleuchtung brannte noch immer, obwohl die Strecke schon seit zwanzig Jahren nicht mehr befahren wurde, und tauchte den Tunnel ins Halbdunkel. Desoderia hielt sich im Schatten, so weit wie möglich von dem spärlichen Licht entfernt.
    So oft es ging, nahm sie diesen Weg. Manchmal nur, um Kraft zu tanken, ihre Gedanken zu klären. So wie andere einen Spaziergang durch den Wald unternahmen, so trieb sie sich unter der Erde herum, an feuchten und düsteren Orten.
    Das war nicht immer so gewesen.
    Als junge Frau hatte sie ganz normale Dinge gemocht, Dinge wie Diskotheken, Freunde und Kino. Bis zu dem Tag, als sie ihren Escort empfangen hatte, ihren dämonischen Zwilling. Seine Vorlieben waren dunkel und triebhaft und dominierten ihre. Sie mochte das.
    Erregung durchflutete sie bei dem Gedanken an das Opfer, das irgendwo am Ende des Tunnels, in einem verlassenen U-Bahnhof, auf sie wartete. Es war nicht irgendein Opfer, nein, ein Abtrünniger war es. Einer, der sich vom Clan abgewandt hatte. Niemand kehrte dem Clan und damit seinem Escort ungestraft den Rücken. Er wusste das. Und doch hatte er es getan, hatte den dunklen Zwilling vertrieben, ihn hinausgeworfen wie einen ungebetenen Gast.
    Das durfte nicht ungesühnt bleiben.
    Der finstere Abschnitt zwischen den Gleisen, in dem sie sich bewegte, verbarg ihre Gestalt, doch sie spürte das Lächeln, das ihre Lippen kräuselte als leichtes Zucken ihrer Mundwinkel.
    »Ich komme, Philippe«, wisperte sie. »Ich bin schon ganz nah.«
    Bei dem Gedanken an die bevorstehende Aufgabe wanderte ihre Hand automatisch zu ihrem Gürtel und zog die dünne, gebogene Klinge aus der Lederscheide. Der Zwillingsdolch vibrierte in ihrer Hand, sandte ein Kribbeln durch ihren Körper, weckte das Verlangen nach Blut. Wurde das Verlangen nicht gestillt, konnte der Dolch sich gegen seinen Träger wenden, doch darum musste sie sich nicht sorgen. Bei ihr bekam er ausreichend Nahrung. Immer.
    »Dachte ich mir doch, dass sie dich schicken werden.« Philippes vertraute Stimme hallte durch den Gang.
    Desoderia erschrak. Er war ihr entgegengekommen, das hätte sie wissen müssen. Geduld gehörte nicht zu Philippes Stärken. Zwei Schatten schälten sich aus dem Zwielicht vor ihr. Einer klein, menschlich, der andere so groß, dass er sich bis über die Tunneldecke wölbte.
    »Wie ich sehe, hast Du deinen Schatten mitgebracht«, sagte sie mit einem Blick auf das wabernde Gebilde, das sich eigenständig neben ihm bewegte.
    Er nickte in Richtung ihres Dolches. »Und du deinen blutrünstigen, kleinen Freund.«
    Desoderia zuckte mit den Schultern. »Dann ist es ja ausgeglichen.«
    »Ja, das ist es wohl.«
    Der Schatten dehnte sich aus, kroch über die Decke auf sie zu. Schnell fischte sie ein Feuerzeug aus ihrer Jackentasche und betätigte den Schalter. Eine Flamme schoss hervor, hüllte sie in flackerndes Licht, das rasch heller wurde. Viel heller, als es angesichts des kleinen Feuers möglich war. Vorsichtig legte sie das Feuerzeug auf den Boden. Obwohl sie den Schalter losließ, brannte es weiter.
    Philippe grinste abfällig. »Das wird nicht lange halten.«
    »Es wird reichen«, erwiderte Desoderia.
    Die Schwärze kroch heran, Schattenfinger ertasteten den Rand des Lichtkegels, zuckten zurück, sobald sie ihn berührten.
    »Lass es uns beenden«, sagte sie.
    Er nickte. Ein Anflug von Wehmut huschte über sein Gesicht.
    Desoderia ließ sich nicht beirren. Er war ein Abtrünniger und verdiente den Tod. Der Schatten huschte um sie herum, suchte nach einer Lücke im Feuerschein, doch sie beachtete ihn nicht. Solange das Feuerzeug brannte, konnte er ihr nichts anhaben.
    »Komm ins Licht, mein Freund.« Sie gab ihrer Stimme absichtlich einen abfälligen Klang. Philippe war stolz und mutig, er würde nicht warten, bis das Feuer erstarb.
    Und sie behielt recht. Mit zwei großen Schritten trat er in den Lichtkreis. Desoderia musterte ihn. Er trug Jeans, ein blaugestreiftes Hemd und Turnschuhe wie ein gewöhnlicher Mensch.
    »Wo ist deine Waffe?«, fragte sie

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