Body Farm
herausgeschnitten hat.«
»Ich denke, das stimmt. Wie in allem, werden diese Kerle durch Übung immer besser.«
»Mein Gott, ich hoffe, dieser Kerl wird nirgends mehr besser.« Mote tupfte sich die Oberlippe mit einem Taschentuch ab.
»Sind wir soweit, daß wir ein Profil erstellen können?« Wesley sah in die Runde. »Würden Sie sagen, er ist weiß und männlich?«
»Es ist eine primär weiße Gegend.«
»Ganz und gar.«
»Alter?«
»Er geht logisch vor, ist also älter.«
»Einverstanden. Ich glaube nicht, daß wir es hier mit einem jugendlichen Täter zu tun haben.«
»Für mich ist er in den Zwanzigern. Vielleicht Ende Zwanzig.«
»Ich neige zu Ende Zwanzig bis Mitte Dreißig.«
»Er geht sehr systematisch vor. Die Waffe hat er zum Beispiel selber mitgebracht und sie sich nicht am Tatort gesucht. Und es sieht nicht so aus, als sei es ihm schwergefallen, das Opfer in Schach zu halten.«
»Nach Aussage der Familienmitglieder und Freunde war es sowieso nicht schwer, Emily unter Kontrolle zu behalten. Sie war scheu, und man konnte ihr leicht Furcht einflößen.«
»Außerdem war sie oft krank und ging beim Arzt ein und aus. Sie war es gewöhnt, Erwachsenen zu gehorchen. Mit anderen Worten, sie tat mehr oder weniger genau das, was man ihr sagte.«
»Nicht immer.« Wesleys Gesicht war ausdruckslos, als er die Tagebuchseiten des toten Mädchens durchging. »Sie verheimlichte ihrer Mutter, daß sie bis ein Uhr morgens mit der Taschenlampe unter der Bettdecke las. Auch hatte sie scheinbar nicht vor, ihr zu sagen, daß sie an dem Samstag nachmittag früher zu dem Treffen in der Kirche gehen wollte. Wissen wir, ob dieser Junge, dieser Wren, wie geplant, auch früher dort war?«
»Er tauchte erst zum Treffen um fünf Uhr auf.«
»Hatte Emily Beziehungen zu anderen Jungen?«
»Es waren die typischen Beziehungen einer Elfjährigen. Er liebt mich, er liebt mich nicht.«
»Was ist daran verkehrt?« fragte Marino, und alle lachten.
Ich reihte die Fotos wie Tarotkarten vor mir auf, und mein Unbehagen wuchs. Die Kugel war in der rechten Scheitel-Schläfen-Region des Schädels eingetreten, hatte die Hirnhaut durchdrungen und einen Zweig der mittleren Hirnhautarterie zerrissen. Aber sie hatte keine Quetschungen, keine Blutungen über oder unter der harten Hirnhaut verursacht. Auch gab es keine vitalen Reaktionen an den Genitalien. »Wie viele Hotels gibt es in dieser Gegend?«
»Ich schätze, etwa zehn. Dann sind da noch ein paar Bed-and-Breakfast-Häuser und einige Privatzimmer.«
»Haben Sie sich die Gästelisten angesehen?«
»Um die Wahrheit zu sagen, daran haben wir noch nicht gedacht.«
»Wenn Gault in der Stadt ist, muß er irgendwo wohnen.« Emilys Laborergebnisse waren ebenso verblüffend: Der Natriumspiegel in der Glaskörperflüssigkeit des Auges war auf 180 gestiegen, der Kaliumgehalt lag bei 58 Milliäquivalent pro Liter.
»Wir fangen mit dem Travel-Eze an, Max. Wenn du das übernimmst, nehme ich mir das Acorn und das Apple Blossom vor. Vielleicht auch noch das Mountaineer, obwohl das ein Stück weiter die Straße runter liegt.«
»Am wahrscheinlichsten ist, daß Gault sich ein Quartier gesucht hat, das ihm ein Höchstmaß an Anonymität garantiert. Er wird kein Interesse daran haben, daß irgendwelches Personal sein Kommen und Gehen zur Kenntnis nehmen kann.«
»Na ja, viel Auswahl hat er da nicht. So große Hotels gibt's hier nicht.«
»Dann kommen wahrscheinlich das Red Rocker oder das Blackberry Inn nicht in Frage.«
»Kaum, aber wir überprüfen sie trotzdem.«
»Was ist mit Asheville? Da muß es doch ein paar größere Hotels geben.«
»Da drüben gibt es alles, seit für die Gäste mit der Wurst nach der Speckseite geworfen wird.«
»Glauben Sie, er hat das Mädchen mit in sein Zimmer genommen und dort umgebracht?«
»Nein. Auf keinen Fall.«
»Man kann so ein kleines Kind nicht als Geisel bei sich haben, ohne daß jemand etwas merkt. Zum Beispiel das Zimmermädchen oder der Zimmerkellner.«
»Deswegen würde es mich wundern, wenn Gault sich ein Hotelzimmer genommen hätte. Die Cops haben gleich nach Emilys Entführung mit der Fahndung begonnen. Und es kam alles in den Nachrichten.«
Die Autopsie hatte Dr. James Jenrette vorgenommen, den man als Leichenbeschauer zum Tatort gerufen hatte. Jenrette war Pathologe am Krankenhaus in Asheville und Staatlich vereidigter Gerichtsmediziner für den seltenen Fall, daß in den einsamen Gebirgsausläufern des westlichen North Carolina
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