Bodyfinder - Das Echo der Toten
nicht ein. Er redete einfach weiter. »Ich weiß, dass du irgendeine Rolle bei der Suche nach den Toten gespielt hast …« Er zog die Augenbrauen hoch. »Woher hast du gewusst, wo die Mädchen begraben liegen?« Als Violet nichts sagte, fuhr er fort: »Ich habe mir die Akten noch mal angeschautund bin dort an einer Stelle auf deinen Name gestoßen. An einer Stelle«, wiederholte er, offenbar verwundert darüber, dass es nicht mehr Verbindungen gab. »Du hast mein armes kleines Mädchen im See gefunden. Aber …«, er kniff die Augen zusammen wie ein Jäger, der die Beute ins Visier nimmt. »Sie war nicht das Erste von meinen Mädchen, das du gefunden hast.«
Das kam nicht überraschend für Violet. Ihr Onkel hatte ihr ja erzählt, dass der andere Mann den Mord an dem Mädchen, das sie mit acht Jahren im Wald entdeckt hatte, gestanden hatte. Aber es war eine entsetzliche Vorstellung, dass die beiden Männer schon seit so langer Zeit gemeinsame Sache machten.
In Violets Kopf drehte sich alles.
»Jawohl«, sagte er und kostete das Spiel aus. »Das kleine Mädchen fand das kleine Mädchen. Damals hatte ich natürlich keine Ahnung, dass du etwas damit zu tun hattest, und den Akten zufolge hattest du das auch nicht. Aber der Name, der da stand, verriet genug. Ambrose ist Ambrose, und der Name deines Vaters sagte genauso viel, als wenn da deiner gestanden hätte.« Er beugte sich weiter zu ihr herunter, als wollte er ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Ich frage mich, weshalb er es wohl für angebracht hielt, deinen Namen rauszuhalten.«
Sie antwortete nicht. Was spielte das auch für eine Rolle! Er würde sie ohnehin nicht laufen lassen.
Er richtete sich auf, seine Stimme hatte jetzt wieder einen bedrohlich ruhigen Unterton angenommen. »Genau genommen habe ich die Mädchen gar nicht umgebracht.«
Sie spürte seinen stechenden Blick wie Nadelstiche auf ihrer Haut. Er schien auf eine Reaktion von ihr zu warten. Doch Violet wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
»Das glaube ich Ihnen nicht«, sagte sie schließlich rundheraus.
»Es stimmt aber. Jedenfalls hat es gestimmt. Er war immer derjenige, der sie tötete«, entgegnete er. »Ich habe sie ausgesucht und zu ihm gebracht. Der Rest war seine Sache, jedenfalls bis es ans Beseitigen ging.« Er sagte das so, als hätten die Mädchen keinerlei Bedeutung für ihn gehabt.
So ist es für ihn wohl auch, dachte Violet. Ihr Leben war ihnen gleichgültig. Sobald sie ihm ins Netz gingen, waren sie nutzlos.
Auf einmal begriff sie, warum der Mann vor ihr nur ein einziges Zeichen an sich hatte.
»Sie werden es nie finden, das Mädchen, das sie im Wald gesucht haben.« Wieder lächelte er und Violet lief es kalt über den Rücken. »Sie war die Erste, die ich selbst getötet habe, und sie werden nie darauf kommen, genau an der Stelle zu suchen, wo sie meinen Partner gefundenhaben, als er das McDonald-Mädchen bewachte.« Sein Lächeln wurde breiter, sodass man seine blitzenden weißen Zähne sah. »Und dich werden sie auch niemals finden.«
27. KAPITEL
Jay stand am Rand der Tanzfläche, er hatte immer noch Violets Handtasche und hielt in der schummrigen Turnhalle nach ihr Ausschau. Vergeblich versuchte er, die Panik zu unterdrücken, die in ihm aufstieg. Irgendetwas stimmte nicht.
Und als er Chelsea, Jules und Claire ohne Violet auf der Tanzfläche sah, war es mit seiner Ruhe ganz vorbei.
»Wo ist Violet?«, fragte er und blickte Chelsea voller Ungeduld an.
»Was ist denn, Jay? Was soll das?«, fragte Chelsea mit großen Augen.
Aber Jay ließ sich nicht beirren. »Chelsea, wo ist sie, wo ist Violet?«
Chelsea blieb stehen, einen Augenblick war sie wie gelähmt von der Angst in seiner Stimme. »Mach dich mal locker! Sie ist auf dem Klo und erneuert ihren Verband. Sie kommt gleich wieder.«
Jay schaute in Richtung der Toiletten und wurde ruhiger, als er die Mädchen sah, die in Grüppchen rein- und rausschwärmten.
Chelsea folgte seinem Blick. »Nein, da nicht. Wir sind auf die Toiletten hinter den Schließfächern gegangen, weil wir allein sein wollten.«
Jay spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. »Ihr habt sie dagelassen? Allein?«
Chelsea zuckte die Achseln und warf einem Pärchen neben sich, das sie anstarrte, einen unfreundlichen Blick zu. »Sie ist gleich wieder zurück, Jay. Hol dir mal einen Punsch, damit du wieder runterkommst.«
Alarmiert ließ Jay den Blick durch den Raum schweifen. Vor dem Eingang entdeckte er einen der uniformierten
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