Bodyfinder - Das Echo der Toten
einem glänzenden silbernen Herz daran.
Behutsam befühlte Violet die Kette mit den Fingerspitzen. »Ist die schön.«
Jay nahm die Kette heraus. »Darf ich?«, fragte er.
Sie nickte, ihre Augen leuchteten, als er sie ihr um den Hals legte. »Danke.« Sie fasste seine Hand und drückte sie.
Jay nahm sie beim Arm, klemmte sich ihre Krücken unter die Achseln und führte sie zum Wagen. Glücklich ließ sich Violet in den weichen, mit rauchgrauem Leder gepolsterten Sitz fallen. Und zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass ihr Onkel für die Fahrt zum Ball keine Polizeieskorte bestellt hatte. Irgendwie hatte sie damit gerechnet, hinter Jays schnittigem schwarzen Aurora eine Prozession von Streifenwagen zu sehen, mit Blaulicht und heulenden Sirenen.
Als Jay eine Viertelstunde später am Steuer seines glänzenden neuen Wagens auf den Schulparkplatz fuhr, wurde Violet ganz kribbelig. Die Nacht hatte sich wie ein dunkler Vorhang über sie gesenkt, der nur durch das Funkeln der Sterne durchbrochen wurde. Violet hörte die Musik, die durch die offene Tür der Turnhalle nach außen drang. Davor herrschte ein reges Kommen und Gehen.
Erneut hakte sie sich bei Jay unter und ließ sich von ihm in die Halle führen. Weit kamen sie jedoch nicht. Im Eingangsbereich bestand Jay darauf, dass sie sich voneinem Fotografen vor einer Kulisse aus rosarotem drapiertem Tüll und weißen Styroporsäulen fotografieren ließen, die vermutlich griechisch und tragisch romantisch wirken sollten. Stattdessen aber nur schäbig aussahen und den Eindruck erweckten, sie könnten jeden Moment in sich zusammenfallen.
Als das Fotoshooting beendet war und sie sich der geschmückten Halle zuwenden wollten, kamen Chelsea und Claire auf sie zugestürmt.
»Oh, Violet, Wahnsinn! Du siehst unglaublich aus!«, sagte Claire.
Dann kam Jules mit ihrem Begleiter dazu, einem Zwölftklässler aus einer anderen Schule. Jules trug ein Kleid mit einem Bustier als Oberteil, das mit Hunderten von glitzernden Perlen bestickt war.
»Wow!« Mehr brachte Claire nicht heraus.
»Mann, Jules!«, sagte Chelsea. »Du stiehlst uns ja allen die Show.« Sie zwinkerte Jules’ Begleitung zu.
»Beachte sie am besten gar nicht!«, rief Jules über das Dröhnen der Musik hinweg.
Violet ließ ihren Blick durch den festlich geschmückten Raum schweifen und folgte dem Gespräch ihrer Freundinnen nicht länger. Sie war froh, hier zu sein, mit Jay. Sie drückte seine Hand, und Jay schlang seine Arme um ihre Taille und küsste sie auf den Hals. Violets Knie wurden weich, als sein Mund ihren verschloss.
»Hey!«, rief Chelsea und Violet zuckte zusammen, als sie merkte, dass alle sie anstarrten. »Hast du mich gehört?«
Violet räusperte sich und überlegte, was Chelsea gesagt haben könnte. »Was denn?«, fragte sie schließlich.
»Ich sagte, ich muss mal. Kommst du mit aufs Klo?«, wiederholte Chelsea.
»Kannst du nicht allein gehen?«, spottete Jules’ Begleiter.
Chelsea grinste. »Doch«, entgegnete sie, »aber wir müssen aufeinander aufpassen.« Und an Jay gewandt fuhr sie fort: »Also, Jay, lass sie los.«
Violet lachte und schaute Jay über die Schulter hinweg an. »In ein paar Minuten bin ich wieder da.«
Jay warf ihr einen zweifelnden Blick zu. »Na gut, bis gleich.«
Jules und Claire folgten ihnen.
Violet gab ihr Bestes, um mit ihren Freundinnen Schritt zu halten, aber auf einem hohen Absatz und mit Krücken war das schwierig. Schließlich rief sie ärgerlich: »Wenn ihr so rast, komm ich nicht mit!«
Alle drei blieben stehen und drehten sich um.
Chelsea tippte ungeduldig mit ihren Fuß auf den Boden. »Beeil dich, Violet, sonst mach ich mir noch in die Hose!«
IN DER SCHUSSLINIE
Sie war leicht auszumachen, die Nichte von Polizeichef Ambrose. Sie war das einzige Mädchen auf dem Ball, das an Krücken ging
.
Hübsch war sie. Schön sogar, dachte er, als er sie betrachtete. Sie benahm sich so, als hätte sie keine Ahnung, wie verführerisch sie auf Männer wirkte. Das gefiel ihm … ihre Unschuld
.
Schon seit sie angekommen war, beobachtete er sie, hielt sich jedoch auf Abstand, auch wenn er nicht glaubte, dass sie ihn wiedererkennen würde. Sie hatte sein Gesicht nicht gesehen. Er war sich sicher, dass sie ihn nicht identifizierenkonnte. Sonst hätte sie es längst getan. Aber er wollte kein Risiko eingehen
.
Er begriff immer noch nicht, wie sie ihn überhaupt bemerken konnte im Wald. Er war so vorsichtig gewesen, war die ganze Zeit in Deckung geblieben.
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