Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
hier mit einem Amulett oder einer speziellen Zutat für einen Heiltrank oder eine Kräuterpampe zu versorgen. Der Ansturm ist so gross, dass die Stadt einen Taxiparkplatz nur für diesen Markt baut. Im Angebot sind zum Beispiel Köstlichkeiten wie Hyänen-Ohren und Gnu-Schwänze oder andere getrocknete Teile von Tieren, über die ich lieber nicht nachdenke.
Wir lieben Südafrika – aber alles muss man ja nicht mögen. Bei Hus-ten fahre ich immer noch in die Apotheke und hole mir einen süssen Kräuter-Sirup.
15
Eisige Kälte und tierischer Gestank
_______
„Nein, wie peinlich!“ war meine erste Reaktion, als ich Woolworths im Cresta Shopping Centre betrat und ganz hinten an der Wand einen Kranz hängen sah. „Die Weihnachtsdekoration hängt immer noch, und jetzt ist doch schon Frühsommer!“ Erst als ich weiter rechts davon eine Leiter sah und zwei Angestellte, die damit beschäftigt waren, weitere Weihnachtskränze aufzuhängen, fiel der Groschen: Wir sind auf der Südhalbkugel, hier beginnen die Weihnachtsvorbereitungen im Frühsommer.
Das war Ende Oktober.
Mittlerweile ist es Anfang Dezember und die Weihnachtsvorbereitungen sind im vollen Gange. Die Frauenmagazine sind voll mit Weihnachtsthemen, vom Kochen übers Schenken über Familientreffen findet sich für alles ein „ how to... “.
Meine südafrikanische Freundin Ilze stöhnt momentan lautstark über ihren Weihnachtsstress, was den grossen Vorteil hat, dass ich sie nicht über ihr Fest auszufragen brauche, die Geschichten sprudeln ohnehin nur so aus ihr heraus. In ihrer Familie scheint man Weihnachten zu feiern, wie es offenbar die meisten (weissen) Südafrikaner tun:
Spätestens Anfang Dezember wird der Christbaum aufgestellt. Natürlich kein echter Baum, denn in diesem Land gibt es keine Tannen. Ilzes Christbaum steht im Eingangbereich des Hauses, der entry hall , und besteht aus einem über zwei Meter hohen Plastikbaum, der als „ Colorado Pine Tree “ oder so ähnlich in den Geschäften angepriesen wird. Nebst verschiedenen goldfarbenen Kugeln und Schleifen ist er mit blinkenden farbigen Lämpchen bestückt. Unter dem Baum liegen hübsch verpackte Schachteln, die aber gemäss Ilze nur zur Dekora-tion dienen und keine Geschenke enthalten. Dafür sind sie farblich assortiert zum Christbaum.
Momentan rennt Ilze wie von Wespen gestochen in den shopping malls herum, weil sie noch nicht alle Weihnachtsgeschenke beisammen hat. Und sie braucht eine Menge davon: Jedes Mitglied der ausgedehnten Familiensippe wird bedacht, und zudem benötigt sie noch einen Vorrat an kleinen Geschenken, die sie an Freunde und Bekannte verteilen kann. Insbesondere ihr Friseur bereitet ihr Kopfschmerzen, der soll ein besonders originelles, schickes, aber doch nicht zu teures Präsent erhalten. Und noch hat sie die Lösung weder in den Geschäften noch in den Frauenzeitschriften gefunden!
Nach dem Geschenkestress sieht Ilze schon den Pack- und Reisestress am Horizont, weil sie ins Familienferienhaus reisen wird, wo sich die ganze Sippe trifft. Das befindet sich rund 1000 Kilometer von Johannesburg entfernt in Plettenberg Bay an der berühmten Garden Route direkt am Meer.
Dort jedoch gedenkt Ilze in den ersten zwei Tagen die Flip-Flops anzuziehen, die Beine hochzulagern und höchstens von Zeit zu Zeit aufzustehen, um einen Streit zwischen den mitgebrachten Hunden der verschiedenen Familienmitglieder zu schlichten. Denn ihre Schwägerin hat sich anerboten, das Weihnachtsmahl zu kochen. Das scheint jeweils eine ganz schöne Plackerei zu sein, denn neben dem gefüllten Truthahn müssen ganze Seen von Sauce und mindestens vier verschiedene Gemüse zubereitet werden. Und zum Abschluss des Festmahls gibt’s traditionsgemäss den Weihnachtspudding, den man nach englischer Tradition schon Wochen vorher backen und dann getränkt ruhen lassen muss.
Obwohl die Südafrikaner im Allgemeinen eher sportliche Kleider tragen und manche sogar an öffentlichen Orten barfuss unterwegs sind, wird Weihnachten sehr stilvoll gefeiert. Am 25. Dezember werden bei hochsommerlichen Temperaturen die Roben aus dem Seidenpapier ausgewickelt und die highheels aus der Schachtel ausgepackt, die Haare hochgesteckt oder mit Gel frisiert und der Familienschmuck hat seinen grossen Auftritt. Und dann beginnt das grosse Festmahl, am herrlich geschmückten langen Tisch.
Und wenn es normal läuft, befindet sich Ilze dann schon mitten im Familienstress. Die Familiensippe, die im ganzen südlichen Afrika
Weitere Kostenlose Bücher