Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
verstreut ist, trifft sich nur zu Weihnachten, um dann ungewohnt nah und eng aufeinanderzuhocken. Und sich zu zanken. Oder auch nicht, und dafür zu schmollen oder zu grollen.
Aber das ist ja nun sicher keine südafrikanische Spezialität.
Die grossen Sommer- und Weihnachtsferien der südafrikanischen Schulen beginnen Anfang Dezember und dauern bis Mitte Januar. Wir sind schon vorgewarnt: Zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar steht das Land still. Es wird nichts erledigt, Gärtner sind im Urlaub, Handwerker nicht zu erreichen, Lieferungen müssen warten, das Postfach wird in dieser Zeit lediglich sporadisch und spärlich gefüttert. Nur auf den Strassen und an der Küste herrscht Hochbetrieb, dort stehen die Urlauber Stossstange an Stossstange und brauchen viel Geduld, bis sie endlich auf ihrem Surfbrett in die Wellen paddeln können.
Deshalb haben wir geplant, in der ersten Woche im Dezember, wenn die Schulferien gerade begonnen haben, noch vor dem grossen Sommerferien-Ansturm nach Kapstadt zu reisen.
„Das schönste Ende der Welt“ – wir sind gespannt. Als wir nach einem zweistündigen Flug im Mietwagen den Flughafen verlassen, bekommen wir auf der Autobahn in Richtung Kapstadt erst mal das lokale squatter camp zu sehen, das township Khayelitsa, das sich entlang der Strasse erstreckt. Hier wurde eine moderne afrikanische Film-Adaption der berühmten Oper „Carmen“ von George Bizet gedreht. Alle Lieder wurden vom Französischen in Xhosa übersetzt, die Polizisten sind mit Autos unterwegs statt zu Pferd, Carmen und ihr Verehrer treffen sich in shebeens , den illegalen Kneipen der südafrikanischen townships , er wird Drogenhändler statt Schmuggler, und Carmen wird von einer recht fülligen sexy Schauspielerin verkörpert. Im Jahr 2005 gewann dieser Film, „U-Carmen E-Khayelitsa“, in Berlin einen goldenen Bären.
Wir erblicken schon bald den berühmten Tafelberg, allerdings von hinten, und dann das Meer, den Atlantik. Das verlangt nach Musik, Johnny Cleggs: „ Asimbonanga... Asimbonang’ uMandela thina, Laph’ekhona, Laph’ehleli khona “. Darin beklagt ein afrikanischer Männerchor in Zulu, dass Mandela schon lange nicht mehr gesehen wurde. Und wir blicken just auf den Teil des Meeres, der Nelson Mandela für mehr als 20 Jahre von seinem Land trennte, als er auf der Gefängnisinsel Robben Island eingesperrt war.
In Camps Bay, einem noblen Vorort von Kapstadt, checken wir in einem Bed&Breakfast ein. Tim lässt uns gerade genügend Zeit, um das Gepäck im Zimmer zu deponieren, dann sitzen wir schon wieder im Wagen. Um an den Strand zu fahren, der palmengesäumt, weiss-türkis und verlockend unter uns liegt. Mit viel Glück finden wir in der Eile einen Parkplatz. Doch leider lässt sich unser anderes Gefährt, Max’ Kinderwagen, nicht durch den Sand bewegen. Voller Neid schaue ich deshalb Lukas nach, wie er mit Tim ans Wasser verschwindet, während Max voll Interesse seine Füsse im Sand vergräbt und unter freudigem Glucksen wieder rauszieht. Ich hätte nicht traurig sein müssen, denn schon nach wenigen Minuten sind die beiden wieder zurück. Tim hockt hinter dem Rücken seines Vaters versteckt, das Gesicht in dessen T-Shirt vergraben, und heult lautstark. „Puh, wir sind sandgestrahlt!“, schüttelt sich Lukas und zwinkert heftig den Sand aus seinen Augen. „Der Wind bläst unten am Meer so stark, dass er uns die Sandkörner regelrecht ins Gesicht gepeitscht hat!“
Am nächsten Tag prüfen wir erst die Sicht vom Tafelberg, bevor wir uns dorthin auf den Weg machen. Häufig ist er von einer weissen Nebeldecke bedeckt, dem sogenannten Tischtuch, aber heute ist der Himmel strahlend blau. Mit der Gondel gelangen wir bequem und nach nicht allzu langem Anstehen auf den Gipfel des Berges, eigentlich ein Hochplateau, mit einem ausgedehnten Netz an Wanderwegen, wovon einige sogar geteert und damit kinderwagentauglich sind. Was für ein Ausblick bietet sich von hier oben! Ich werde sofort Clubmitglied. Im Club der Kapstadt-Fans. Denn die Gegend ist einfach atemberaubend schön! Das strahlend blaue Meer, die weissen Strände, die Hügel und Felsspitzen, die Stadt, die sich an den Tafelberg schmiegt... Ganz grosses WOW!
Es ist nicht schwierig zu erkennen, dass dies eine Touristen-Destination ist: Japaner knipsen sich gegenseitig vor dem Panorama ab, Inderinnen im Sari verteilen Samoosas an ihren Nachwuchs, Österreicher studieren eine Karte und weisen sich gegenseitig mit „Na, dös passt ma goa
Weitere Kostenlose Bücher