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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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politischer … Aventurier?«
    »Ein Spitzbube, Spitzbube! Sie machen sich Gedanken, wer ich bin? Ich werde Ihnen gleich sagen, wer ich bin; darauf will ich ja hinaus. Ich habe Ihnen doch nicht umsonst die Hand geküßt. Aber es ist nötig, daß auch das Volk glaubt, daß wir wissen, was wir wollen, und daß die anderen nur ›mit dem Knüppel um sich schlagen und die eigenen treffen‹! Wenn wir nur Zeit hätten! Wir haben keine Zeit – das ist unser Pech. Wir werden die Destruktion ausrufen … warum, warum? Weil auch diese niedliche Idee so berauschend ist! Aber wir müssen, müssen unbedingt trainieren. Wir werden Feuer legen … Wir werden Legenden unters Volk bringen … Dabei wird jede jämmerliche ›Gruppe‹ gut zu gebrauchen sein. Ich kann Ihnen in diesen Gruppen Freiwillige finden, die jeden Schuß abfeuern und auch noch für die erwiesene Ehre danken. Ja, und dann beginnt der Aufruhr! Die Wogen werden so hoch schlagen, wie es die Welt noch nie gesehen hat … Rußland wird sich in Nebel hüllen, nachweinen wird die Erde den alten Göttern … Und dann, dann wird kommen … Wer wohl?«
    »Wer?«
    »Iwan Zarewitsch.«
    »We-e-r?«
    »Iwan Zarewitsch; Sie, Sie!«
    Stawrogin dachte etwa eine Minute nach.
    »Ein Usurpator?« fragte er plötzlich, wobei er den Rasenden mit tiefer Verwunderung betrachtete. »Aha! Das also ist endlich Ihr Plan!«
    »Wir werden sagen, daß er sich ›verbirgt‹«, redete Werchowenskij, nun wirklich wie betrunken, leise, gleichsam verliebt flüsternd. »Wissen Sie, was dieses Wort bedeutet: ›Er verbirgt sich‹? Aber er wird eines Tages erscheinen. Wir bringen eine Legende unters Volk, die besser ist als die der Skopzen. Er ist da, aber niemand hat ihn je gesehen. O was für eine Legende kann man unters Volk bringen! Und das Wichtigste – eine neue Kraft ist im Kommen. Und eine solche Kraft wird gebraucht, sie ist es doch, die herbeigesehnt wird. Was ist schon am Sozialismus: Die alten Kräfte hat er zerstört, aber keine neuen gebracht. Hier aber geht es um eine Kraft, und was für eine, eine unerhörte! Wir brauchen den Hebel nur ein einziges Mal, um die Erde aus den Angeln zu heben. Alles wird aus den Angeln gehoben!«
    »Dann haben Sie also allen Ernstes mit mir gerechnet?« fragte Stawrogin mit boshaftem Lächeln.
    »Warum lächeln Sie, und warum lächeln Sie so boshaft? Erschrecken Sie mich nicht. Ich bin jetzt wie ein kleines Kind, mich kann ein einziges solches Lächeln zu Tode erschrecken. Hören Sie, ich werde Sie niemand zeigen, niemand: So muß es sein. Er ist da, aber niemand hat ihn gesehen, er verbirgt sich. Und, wissen Sie, man kann ihn sogar jemand zeigen, einem unter Hunderttausenden, zum Beispiel. Und dann wird es sich über das ganze Land verbreiten: ›Man hat ihn gesehen, man hat ihn gesehen!‹ Man hat doch auch Iwan Filippowitsch, den Gott Zebaoth, gesehen, wie er im feurigen Wagen gen Himmel fuhr, vor allen Leuten, sie haben es mit ›eigenen‹ Augen gesehen. Sie aber sind nicht ein Iwan Filippowitsch ; Sie sind bildschön, stolz wie ein Gott, der nichts für sich will, mit der Aureole eines sich ›verbergenden‹ Opfers. Die Hauptsache ist die Legende! Sie werden sie besiegen, sie sehen und siegen. Er bringt die neue Wahrheit, und er ›verbirgt sich‹. Und dann werden wir zwei, drei salomonische Urteile in Umlauf bringen. Die Gruppen, die Fünfergruppen sind ja da – Zeitungen sind überflüssig! Wenn eine einzige Bitte aus Zigtausenden erfüllt wird – dann werden alle kommen und bitten. In jedem Dorf wird jeder Bauer wissen, daß es irgendwo einen hohlen Baum gibt, wo man die Bittschriften hineinlegt. Und die Erde wird laut aufseufzen, ›das neue, das rechte Gesetz kommt‹, und das Meer wird aufschäumen, und die Bretterhütte wird zusammenfallen, und dann werden wir nachdenken, wie wir einen Bau aus Stein errichten können. Zum ersten Mal! Wir werden ihn errichten, wir, nur wir! «
    »Wahnsinn!« sagte Stawrogin.
    »Warum, warum wollen Sie nicht? Haben Sie Angst? Ich bin Ihnen ja gerade deshalb verfallen, weil Sie keine Angst haben. Weil es unvernünftig ist? Aber ich bin ja vorläufig ein Columbus ohne Amerika; kann ein Columbus ohne Amerika vernünftig sein?«
    Stawrogin schwieg. Mittlerweile waren sie beim Haus angekommen und blieben vor dem Eingang stehen.
    »Hören Sie«, sagte Werchowenskij ihm ins Ohr, »ich will von Ihnen kein Geld; morgen schaffe ich Marja Timofejewna beiseite … Ohne Geld, und morgen schon bringe ich

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