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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Nikolaj Wsewolodowitsch.
    »Was wollen Sie mit Schatow? Was wollen Sie mit ihm?« fuhr der Rasende heftig und atemlos fort, wobei er immer wieder vorauslief und Stawrogin am Ellbogen packte, vermutlich ohne es selbst zu wissen. »Hören Sie: Ich trete ihn Ihnen ab, schließen wir Frieden. Ihre Schulden sind hoch, aber … schließen wir Frieden!«
    Stawrogin sah ihn, endlich, kurz an und war verblüfft. Das war nicht derselbe Blick, nicht dieselbe Stimme wie sonst und wie vorhin dort im Zimmer; er sah ein beinahe anderes Gesicht vor sich. Auch die Intonation war eine andere: Werchowenskij flehte und beschwor. Hier stand ein Mensch, dem noch nicht bewußt ist, daß man ihm sein Kostbarstes gerade nimmt oder schon genommen hat.
    »Was haben Sie?« schrie Stawrogin. Werchowenskij antwortete nicht, lief ihm aber nach und sah ihn mit demselben flehenden, aber gleichzeitig unerbittlichen Blick an.
    »Schließen wir Frieden!« flüsterte er noch einmal. »Hören Sie, ich habe im Stiefelschaft, wie Fedjka, ein Messer stecken, aber ich will mit Ihnen Frieden schließen.«
    »Aber was wollen Sie mit mir?« rief Stawrogin, nun verwundert und in entschiedenem Zorn. »Ist das etwa ein Geheimnis? Soll ich für Sie ein Talisman sein? Hol Sie der Teufel!«
    »Hören Sie, wir werden einen Aufruhr machen«, murmelte Werchowenskij hastig und fast wie im Delirium. »Sie wollen nicht glauben, daß wir einen Aufruhr machen können? Wir werden einen solchen Aufruhr machen, daß alles in seinen Grundfesten wankt. Karmasinow hat recht, es gibt nichts, woran man sich halten kann. Karmasinow ist sehr schlau. Nur zehn solcher Gruppen über ganz Rußland verteilt, und ich bin nicht mehr zu fassen.«
    »Und alle ebensolche Dummköpfe«, entfuhr es Stawrogin.
    »Oh, seien Sie selbst ein wenig dümmer, Stawrogin, ein wenig dümmer! Wissen Sie, Sie sind keineswegs klug genug, um sich so etwas zu wünschen: Sie fürchten sich, Sie glauben nicht, Sie schrecken vor dem Ausmaß zurück. Und warum sollen sie alle Dummköpfe sein? Sie sind durchaus keine Dummköpfe; heutzutage hat niemand einen eigenen Verstand. Heutzutage ist ein eigener Kopf äußerst selten. Wirginskij – das ist eine durch und durch reine Seele, zehnmal reiner als wir beide; soll er doch, meinetwegen. Liputin ist ein Gauner, aber ich kenne seinen wunden Punkt. Es gibt keinen Gauner, der nicht einen wunden Punkt hätte. Ljamschin ist der einzige, dem dieser Punkt fehlt, aber dafür habe ich ihn ganz in der Hand. Noch ein paar solcher Gruppen, und ich werde überall Pässe und Geld haben, das ist doch schon was! Und als ob das das einzige wäre?! Geheime Verstecke, dann sollen sie suchen. Eine Gruppe werden sie ausheben, bei der nächsten klappt’s nicht. Wir werden einen Aufruhr entfachen … Glauben Sie etwa nicht, daß wir zwei es ohne weiteres schaffen werden?«
    »Nehmen Sie Schigaljow, und lassen Sie mich in Ruhe …«
    »Schigaljow ist genial! Wissen Sie, ein Genie, ähnlich wie Fourier; aber er ist kühner als Fourier, er ist stärker als Fourier; ich werde mich noch mit ihm befassen. Er hat die ›Gleichheit‹ erfunden!«
    “Er hat Fieber, und er phantasiert; mit ihm ist etwas geschehen, etwas ganz Besonderes”, dachte Stawrogin und sah ihn noch einmal an. Sie gingen weiter, ohne anzuhalten.
    »In seinem Heft stehen gute Sachen«, fuhr Werchowenskij fort, »etwa das Spionieren. Bei ihm beobachtet jedes Mitglied der Gesellschaft jedes andere und ist zur Denunziation verpflichtet. Jeder gehört allen, und alle gehören jedem. Alle sind Sklaven und in der Sklaverei gleich. In äußersten Fällen – Verleumdung und Mord, aber die Hauptsache ist die Gleichheit. Als erstes wird das Niveau der Bildung, der Wissenschaft und der Talente heruntergedrückt. Das hohe Niveau der Forschung und der Talente ist nur für Hochbegabte erreichbar, fort mit den Hochbegabten! Die Hochbegabten haben schon immer die Macht an sich gerissen und sind Despoten geworden. Die Hochbegabten können gar nicht anders als Despoten sein und haben immer mehr Verderben gestiftet als Nutzen: sie werden vertrieben oder hingerichtet werden. Einem Cicero wird die Zunge abgeschnitten, einem Kopernikus die Augen ausgestochen, ein Shakespeare wird gesteinigt – das ist die Schigaljowerei! Sklaven müssen gleich sein: Ohne Despotismus hat es noch nie weder Freiheit noch Gleichheit gegeben, aber in einer Herde muß Gleichheit herrschen – das ist die Schigaljowerei! Ha-ha-ha, Sie finden das wunderlich? Ich

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