Böse Schafe: Roman (German Edition)
Freunden teilte, und dann, bis zum Anschlag, den breitmäuligen Messinghahn, aus dem das Wasser in disproportional dünnem, unregelmäßigemStrahl hinunterrann auf den Grund der tiefen, sanft gerundeten Badewanne, die mich jedesmal an die Krankenhaus-Nachttöpfe aus meiner Zeit als Hilfspflegerin erinnerte, nicht nur der Form und des Geräusches wegen, sondern auch, weil sie bestenfalls zu einem Drittel gefüllt war, wenn sich der – zum Glück über dem Fußende hängende – schrottreife Dreißig-Liter-Gasboiler nach einer knappen Stunde endlich entleert hatte. Meistens nutzte ich diese Stunde, um mich für das Privileg zu revanchieren, spülte Geschirr, bügelte Hemden oder bereitete die Suppe vor, die ich nach dem Baden gerne kochte, schön langsam; es konnte ja sein, daß Christoph ausnahmsweise mal vor Mitternacht heimkehrte oder wenigstens einer seiner Wohngenossen Anton, Sven und Bruce.
Doch an jenem Freitag legte ich unverzüglich meine Sachen ab und mich fröstelnd auf den rostfleckigen Wannenboden. Aber nicht so, daß der feine, dafür aus beträchtlicher Höhe hinabstürzende Wasserstrahl die leicht manipulierbare Stelle zwischen meinen Beinen traf, denn beinahe mehr als den mechanisch herbeigeführten Orgasmus, den ich mir sonst immer gönnte, genoß ich es, in Eile zu sein.
Kaum richtig trockengerubbelt, setzte ich mich nackt an den Küchentisch, frisierte und schminkte mich vor einem Klappspiegel, den ich im Bad entdeckt hatte – und dorthin zurückzubringen vergaß, weil ich nervös war, so sehr, daß mir der Lidstrich mißriet und mein flüchtig gefönter, toupierter, hochgesteckter, von zuviel Haarspray klebrig-steifer Schopf aussah wie ein aufgeplatzter Polsterstuhl, ein gefrorener Ameisenhaufen, ein verlassenesKrähennest … Ich schlüpfte wieder in den kleinkarierten Sommerhänger, der mir nun lächerlich verfrüht vorkam, fand noch eine blaue Herrenstrickjacke, die Helmut Kohl gepaßt und gestanden hätte, entschuldigte die Leihnahme auf einem Zettel, warf die Tür hinter mir zu – und hatte Zeit, noch fast eine Stunde, in der ich hin und her überlegte, ob ich meine Verabredung mit dir einhalten sollte oder besser nicht.
Ich kniff dann doch nicht; wahrscheinlich, weil ich mich später nicht mit sentimentalen Spekulationen über das womöglich Versäumte quälen wollte, und auch, weil ich in solchen, eine Entscheidung fordernden Situationen erkannte oder zu erkennen glaubte, daß, vor allem anderen, meine Mutter schuld war an meinem »Hang zum Übermut«, den sie oft beklagt und der sie und mich nun für immer getrennt hatte. Oder war Soja Kosmodemjanskajas schweres Schicksal etwa nicht, von den politischen Weltläuften abgesehen, das Resultat ihres Kampfes wider den, nicht einmal nur uns Menschen eigenen, Selbsterhaltungstrieb gewesen?!
Peinlicherweise stand ich bereits vor dem Café, als ihr kamt; ja, ihr, denn wieder hattest du diesen Benno im Schlepptau. Dein Blick war so, daß ich einen Moment lang dachte, ich hätte meinen Geburtstag vergessen, du aber nicht. Du strecktest mir eine langstielige, etwas angewelkte, nahezu blatt- und dornenlose rote Rose entgegen; mit der anderen Hand verbargst du etwas hinter deinem Rücken. Dein Fuß stieß die Tür zum Lokal auf, du wähltest für uns einen Tisch in einer weit vom Eingang entfernen Ecke des Raumes und bestelltest bei der Kellnerin, deren einzige Gäste wir waren, drei Kännchen Kakao plus extra Schlagsahne.
Und erst jetzt, da sicher war, daß wir zumindest die nächste Stunde miteinander verbringen würden, musterte ich dein Gesicht in Ruhe und so gut es ging in dem Zwielicht aus Sonnen- und Lampenschein. Trotz dieses Fieberglanzes auf deinen Pupillen, die widerspiegelten, was immer du ansahst, ähnelten deine großen blaßgrauen Augen denen eines alten Karpfens. Auch das Oval deines weichen, unrasierten Gesichts war blaß, und das linke deiner fleischigen Ohren lag dichter am Kopf als das rechte. Das einige Zeit nicht geschnittene Haar fiel dir strähnig in die Stirn. Du hattest Schatten unter den Augen, die weder nur deine langen blonden Wimpern warfen noch allein von dem diffusen Licht herrührten. Am besten gefielen mir dein üppiger, aber männlicher Mund und dein kräftiges, in der Mitte gekerbtes Kinn, das für sich betrachtet aussah wie ein stoppliger Babypopo.
Die Kellnerin brachte die Gedecke, goß Kakao in unsere Tassen, ersetzte den vollen Aschenbecher durch einen leeren. Doch ehe ich in meiner Gier den ersten Schluck
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