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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Carter
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nichts anderes von Harker erwartet. Er war groß, glatzköpfig und durchtrainiert – der bloße Anblick warnte jeden, sich besser nicht mit ihm anzulegen. Sportskanonen standen bei ihm hoch im Kurs, alle anderen hatten in seinen Augen keinen Respekt verdient. Typisch Sportlehrer eben.
    »Wie wäre es mit ein wenig Aufwärmtraining?«, rief Mr. Harker in die Halle. »Eine Runde Brennball!«
    Es ist wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, dass ich diesen Mann gehasst habe. Dank ihm trug ich an diesem Tag unzählige blaue Flecken davon.
    Der Unterricht war die Hölle, aber noch längst nicht damit zu vergleichen, was mich in der Mittagspause erwartete. Normalerweise aß ich alleine, doch heute war es keine freiwillige Einsamkeit. Trotz des großen Andrangs in der Cafeteria saß ich mutterseelenallein an einem der langen Tische. Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben. Bis letzte Woche war ich ein Außenseiter, weil ich es so gewollt hatte. Jetzt war ich ein Geächteter.
    Zum ersten Mal seit unserem Umzug nach Ice Lake wünschte ich mir, ich hätte einen Freund.
     
    »Wie war es heute in der Schule?«, erkundigte sich Mom, als ich nach Hause kam. Für gewöhnlich fragte sie aus Inte resse, heute hingegen klang es wie eine Anschuldigung.
    »Es war die Hölle«, antwortete ich, stellte meinen Rucksack in der Diele ab und hängte meine Jacke auf.
    »Ich möchte dieses Wort hier nicht hören«, fuhr sie mich an. »Dies ist ein frommer Haushalt, Stuart.«
    »Schon gut«, erwiderte ich. »Schließlich will ich ja nicht im Fegefeuer enden.«
    »Eben«, sagte sie. »Ich möchte, dass du dich sofort an die Hausaufgaben setzt.«
    »Okay«, antwortete ich und nahm den Rucksack wieder in die Hand.
    »Ach ja, Stuart?«
    »Ja, Mom?«
    »Lass bitte deine Zimmertür offen.«
    »Wieso das denn?«, fragte ich, obwohl ich den Grund dafür nur zu gut kannte.
    »Für den Fall, dass etwas Unmoralisches passiert«, gab sie zurück.
    »Mom, es reicht!«, rief ich und stürmte in die Küche. »Wie weit willst du diese Sache noch treiben?«
    »Ich tue alles, was nötig ist«, sagte sie unterkühlt, »damit dies ein christliches Haus bleibt.«
    Ich ließ den Blick durch die Küche schweifen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie längst das Abendessen vorbereitete. Doch stattdessen stand sie mit einer halb aufgerauchten Zigarette in der Hand am Fenster, den Blick nach draußen gerichtet. Der Aschenbecher auf dem Küchentisch quoll fast über. Wie es schien, hatte Mom ebenfalls einen miesen Tag hinter sich.
    »Na gut«, lenkte ich ein, »lasse ich die Tür eben offen. Aber jetzt sag bitte nicht, dass du mich die ganze Nacht beobachten willst.«
    Es dauerte einige Augenblicke, ehe sie mir antwortete.
    »Weißt du eigentlich, wie meine Arbeitskollegen über mich sprechen, Stuart?«, rückte sie schließlich mit der Wahrheit heraus. »Sie sagen, ich sei keine gute Mutter. Sie geben mir die Schuld daran, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Sie behaupten, dass ich nicht wüsste, wie man seinen Kindern Benehmen beibringt.«
    »Verdammt«, sagte ich. »Mom, ich …«
    »Und der Glaser verlangt nun das Dreifache davon, was die Reparatur normalerweise kostet«, fuhr sie fort. »Mit der Mutter eines … Selbstbefleckers will niemand etwas zu tun haben.«
    »Das ist doch …«
    »Wie du siehst, Stuart, hat dein Fehlverhalten auch Auswirkungen auf andere«, unterbrach sie mich. »Sünden ziehen immer Konsequenzen nach sich. Konsequenzen, die wir alle zu tragen haben. Denk mal in einer stillen Minute darüber nach, Stuart. Streng deinen Kopf an. Und, Stuart?«
    »Ja, Mom?«
    »Der Herr hört es nicht gerne, wenn du fluchst.«
    Mom hatte recht. Ich war nicht der Einzige, der zu leiden hatte. Josh kam weinend nach Hause und hielt sich die Nase. Einer der älteren Jungen war der Meinung gewesen, der Bruder eines Selbstbefleckers hätte eine kleine Abreibung verdient. Und als Tiffany eine Stunde später eintraf, war sie ebenfalls in Tränen aufgelöst. Paul hatte meinetwegen mit ihr Schluss gemacht.
    Die Stimmung beim Abendessen war angespannt. Wir wechselten kaum ein Wort, und wenn doch, klang es gezwungen und abweisend. Alle starrten mich an. So langsam beschlich mich das Gefühl, ich hätte tatsächlich etwas Entsetzliches und Unverzeihliches verbrochen.
    Aber das hatte ich doch gar nicht! Fon Pyre hatte mir gesagt, dass es keine Sünde sei, sich selbst zu befriedigen, und Father Reedy hatte seine Aussage bestätigt.
    Also, warum spielte die ganze Stadt

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