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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Carter
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Vorschein.
    »Du wolltest eine von deinen Socken benutzen?«, sagte ich erstaunt. »Und das, obwohl du nichts zum Umziehen mithast? Hattest du wirklich vor, die Socke morgen wieder anzuziehen, als wäre nichts gewesen?«
    »Nein«, antwortete er. »Das ist gar nicht meine Socke.«
    Ich riss die Augen auf und suchte den Kleiderhaufen neben meinem Nachtlager ab. Eine meiner Socken fehlte.
    »Gib sie her. Sofort«, forderte ich ihn auf und versuchte, sie ihm zu entreißen.
    »Komm schon«, erwiderte er und hielt sie außer Reichweite. »Lass mich das eben noch zu Ende bringen.«
    »Nein!«, rief ich. »Nimm deine eigene Socke.«
    »Und was soll ich dann morgen anziehen?«
    Mit einem Satz war ich auf der Couch, packte die Socke und riss mit aller Kraft daran. Im Nu entwickelte sich ein Kampf, der mindestens eine Minute anhielt, ehe meine Mutter ins Wohnzimmer gestürmt kam.
    »Was geht denn hier vor sich?«, fauchte sie. Erst dann entdeckte sie die verräterische Beule in Chesters Schlafanzughose.
    Chester merkte, dass sie es bemerkt hatte, und zog hastig die Decke über sich.
    »Warst du etwa dabei, dich zu …?«, fragte Mom vor Wut schäumend.
    »Nein«, verteidigte sich Chester, »ich wollte doch nur …«
    »… mit mir rummachen«, beendete ich den Satz für ihn. »Chester und ich«, fuhr ich fort und legte den Arm um ihn, »wollten nur ein wenig knutschen.«
    Chester warf mir einen entsetzten Blick zu, während ich versuchte, so ernst wie möglich dreinzublicken.
    »Oh«, sagte Mom. »Aber ihr habt euch nicht … danebenbenommen, oder?«
    »Nein, so weit hätten wir es nie kommen lassen«, antwortete ich. »Chester ist einfach ein wenig übermütig geworden, das ist alles.«
    »Solange ihr euch dabei nicht selbst berührt habt«, meinte Mom, »ist alles in Ordnung. Vergesst aber bitte nicht, dass es Menschen in diesem Haus gibt, die gerne schlafen würden.«
    »Ich weiß. Sorry, Mom«, gab ich zurück. »Wir hören sofort auf damit.«
    »Vielen Dank«, sagte sie, schloss die Tür und ließ uns wieder alleine.
    »Ich glaube, ich spinne«, zischte Chester. »Jetzt denkt sie doch, dass ich schwul bin.«
    »Sie denkt, dass ich etwas für dich empfinde«, entgegnete ich. »Und glaub mir, das ist nicht gerade schmeichelhaft für mich.«
    »Hey!«
    »Davon abgesehen, Chester«, setzte ich nach, »bist du schwul.«
    »Bin ich nicht!«, konterte Chester.
    »Und ob«, sagte ich. »Ich war damals schließlich dabei.«
    »Das … war ein Unfall«, stotterte er. »So etwas wird nie wieder passieren.«
    »Darauf wette ich«, erwiderte ich. »Verdammt, Chester, ich habe dir gerade den Arsch gerettet. Ich hätte meiner Mom auch die Wahrheit sagen und dafür sorgen können, dass du mitten in der Nacht rausfliegst. Wie wäre es mit ein wenig Dankbarkeit?«
    »Danke«, murmelte er.
    »Gern geschehen«, sagte ich. »Und jetzt her mit der Socke.«
    Chester gehorchte und wandte sich dann wieder in Richtung Couch.
    »Nicht so hastig«, sagte ich und schob mich an ihm vorbei. »Die gehört jetzt mir.«
    »Blödian«, gab Chester zurück, als er sich auf den Boden legte. »Hey, Stuart.«
    »Ja?«
    »Findest du es nicht auch eigenartig, dass deine Mutter nichts dagegen hat, wenn wir uns küssen, aber strikt dagegen ist, wenn einer von uns … du weißt schon?«
    »Doch«, antwortete ich. »Gleich morgen werde ich nach einer Erklärung dafür suchen.«
    »Großartig«, sagte er. »Lass es mich wissen, wenn du etwas herausgefunden hast.«
    »Als guter Christ könntest du mir ruhig deine Hilfe anbieten«, warf ich ein.
    »Also gut«, entgegnete er gedehnt. »Brauchste Hilfe?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Morgen werden wir gemeinsam Father Reedy einen Besuch abstatten.«
    »Meinetwegen«, sagte Chester. »Eines noch, Stu.«
    »Ja, Chester?«
    »Der Herr mag es nicht, wenn du fluchst.«
    »Halt die Klappe und lass meine Socken in Ruhe.«

 
     
     
     
     
     

     
     
    Der nächste Schultag verlief genau, wie ich es erwartet hatte. Er wurde ebenso heftig wie der Tag davor, allerdings mit zwei kleinen Unterschieden. Erstens gewöhnte ich mich langsam daran, und zweitens hatte ich jetzt einen Leidensgenossen.
    »Ich fasse es nicht!«, stöhnte Chester auf dem Nachhauseweg am Nachmittag. »Die anderen machen sich entweder über mich lustig oder verurteilen mich.«
    »Willkommen im Klub«, sagte ich.
    »Lass den Quatsch, im Gegensatz zu dir bin ich ja nicht schwul«, konterte Chester. »Du müsstest dich doch eigentlich längst daran gewöhnt

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