Böser Engel
starrte verlegen auf den Boden. Meine Mutter warf ihm einen frostigen Blick zu. Der Schock, gleich zwei Sünder unter ihrem Dach zu beherbergen, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
»… sie meinten, ich könnte unmöglich weiter mit ihnen zusammenleben, wenn ich mir so etwas Schmutziges ansehe«, sagte Chester. »Sie haben Angst, ich könnte werden wie … er.« Er zeigte auf mich.
»Ist er schon an der Stelle angekommen, an der er unser Fenster eingeworfen hat?«, schoss ich zurück.
»Jetzt geht deine Phantasie mit dir durch. Hör auf, dir solche Sachen auszudenken«, gab meine Mom zurück.
»Aber er hat es doch getan!«, protestierte ich.
»Es reicht, Stuart!«, sagte sie entschieden. »Gib ihm den Kuchen.«
»Bitte schön«, knurrte ich und reichte ihm Teller und Glas.
»Vielen Dank«, antwortete Chester mit einem neuen süffisanten Lächeln. »Und mach dir keine Sorgen: Ich werde schon nichts in deinem Zimmer durcheinanderbringen.«
»Wie recht du hast«, meinte Mom, »du wirst nämlich die Nacht zusammen mit Stuart hier auf dem Boden verbringen.«
»Was?«, fragte Chester, und seine Selbstgefälligkeit war wieder verflogen. »Aber Sie sagten doch, ich …«
»Schluss jetzt!«, unterbrach Mom ihn barsch. »Hätte ich gewusst, was du verbrochen hast, hätte ich dich erst gar nicht bei uns aufgenommen, Chester. Wenn ich es mir genau überlege, dann …«
»Komm schon, Mom«, schaltete ich mich ein. »Wirf ihn nicht raus. Wo soll er denn hin? Und warum nehme ich dich eigentlich in Schutz?«, sagte ich an Chester gewandt. »Du kommst hierher, nutzt unsere Großzügigkeit aus und stehst noch nicht einmal zu dem, was du getan hast!« Ich machte eine Handbewegung in Richtung Fenster, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Er hat seine Sünde zugegeben, Stuart«, entgegnete Mom.
Okay, vielleicht hatte ich mich nicht klar genug ausgedrückt.
»Ich rede doch von dem Fenster, Mom!«, sagte ich.
»Und ich habe dir verboten, dir Geschichten auszudenken«, erwiderte meine Mutter.
»Verdammt«, schimpfte ich. »Muss ich dir erst seine Fingerabdrücke auf dem Ziegelstein zeigen, damit du mir glaubst?« Nicht, dass ich den Stein noch hatte.
»In diesem Haus wird nicht geflucht«, ermahnte mich meine Mutter. »Wir unterhalten uns morgen früh. Stuart, geh und hol Kissen und Decken aus dem Wäscheschrank. Ich suche Chester einen Schlafanzug heraus. Für heute Nacht kannst du hierbleiben, Chester. Ich schlage vor, dass ihr beide gründlich darüber nachdenkt, was ihr getan habt und wie viel Leid ihr anderen damit zufügt. Auch wenn ich euch nicht die ganze Nacht im Auge behalten kann, um sicherzugehen, dass ihr keinen Blödsinn anstellt – ich möchte euch daran erinnern, dass Gott euch beobachtet. An eurer Stelle würde ich Buße tun.«
Eine halbe Stunde später lagen Chester und ich alleine auf dem Wohnzimmerboden. Nun ja, zumindest ich lag auf dem Boden. Kaum war meine Mutter weg, riss Chester sich nämlich die Couch unter den Nagel.
»Hey, runter da«, sagte ich.
»Vergiss es«, erwiderte Chester. »Auf dem Boden ist es viel zu hart.«
»Ich muss auch hier unten schlafen.«
»Dein Pech.«
»Keine besonders christliche Einstellung«, bemerkte ich, worauf er keine Antwort wusste.
Dann fielen mir wieder Fon Pyres Worte ein: Er hatte gesagt, dass ich keine Freunde hatte. Aber wie in Gottes Namen sollte ich mit so einem Typen wie Chester Freundschaft schließen?
Es dauerte eine Stunde, bis ich endlich einschlief. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Als ich aufwachte, war es noch dunkel.
Chester, der noch immer auf der Couch lag, atmete schwer. Und unter seiner Decke ging die Post ab.
»Chester!«, zischte ich. »Was zum Teufel machst du da?«
Chester wandte mir schnell den Rücken zu. Doch selbst im Dunkeln konnte ich erkennen, dass er kreidebleich geworden war.
»Ich dachte, du schläfst«, keuchte er. »Ich habe dir sogar in die Nase gekniffen.«
»Du hast was?«, sagte ich. »Ist ja auch egal. Du hörst jetzt auf der Stelle damit auf.«
»Ich mache doch gar nichts.«
»Das kannst du dem Weihnachtsmann erzählen«, antwortete ich. »Verdammt, Chester, du steckst ohnehin schon tief genug in der Scheiße. Was, wenn meine Mom hereinkommt und sieht, was du tust?«
»Aber es ist dunkel«, erwiderte er.
»Was wolltest du eigentlich zum Abspritzen nehmen?«, fragte ich. »Deinen Schlafanzug? Die Decke? Die Couch?«
Chester kramte herum und brachte eine Socke zum
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