Böses Blut
über die Anstrengungen des Schauspielers lächelt. Sie waren jeder an einer anderen Stelle des vollbesetzten Busses eingekeilt, Hjelm im hinteren Gang, Chavez in der Mitte, über einen Kinderwagen gebeugt, der ihm in den Unterleib stieß. Jedesmal, wenn er halbwegs schreiend in sein Handy sprach, schrie das Baby im Wagen mit dreifacher Lautstärke zurück, begleitet von den eskalierenden säuerlichen Bemerkungen der ebenfalls eingeklemmten Mutter. Als Chavez am Västerbroplan aus dem Bus stieg, hatte er eine vage Ahnung davon, was die Hölle war.
»Und?« fragte Hjelm.
»Monster!« fauchte Chavez.
»Es ist eine harte Branche«, sagte Hjelm.
»Laban Hassel hat sich vor drei Jahren für den Grundkurs in Literaturwissenschaft eingeschrieben. Seminararbeiten sind nicht registriert. Keine anderen Seminare.«
Hjelm nickte. Sie waren aus ganz verschiedenen Richtungen zum gleichen Ergebnis gekommen. Ihre Synchronität gefiel ihm.
Diesmal war der Aufzug in Betrieb. Sie betraten die Feuilletonredaktion mit zielstrebigem Schritt. Wenn alles funktionierte, wäre das Problem vor ihrer Abendbesprechung gelöst.
Erik Bertilsson stand über ein Faxgerät gebeugt, das nicht wollte, wie es sollte. Hjelm räusperte sich zwei Zentimeter von der rotgesprenkelten Glatze entfernt. Bertilsson fuhr zusammen und machte ein Gesicht, als habe er ein Gespenst gesehen. Was, wie Hjelm sich eingestand, nicht besonders weit von der Wahrheit entfernt war.
»Wir benötigen ein bißchen Hilfe«, sagte er neutral und spürte, daß der Vorwurf des Epigonentums ihm im Nacken saß. »Können Sie uns Zugang zu Hassels E–Mailbox verschaffen? Vorausgesetzt, sie ist noch da.«
Bertilsson starrte den Mann an, dem er die Enttäuschungen seines Lebens vorgejammert und den wiederzusehen er nicht erwartet hatte. Er bewegte sich nicht vom Fleck. Schließlich brachte er heraus: »Ich kenne sein Paßwort nicht.«
»Gibt es jemanden hier, der es kennt?«
Bertilsson rührte sich nicht. Irgendwo glitt der Schatten eines Gedankens durch sein diffuses Bewußtsein. Er ließ die beiden stehen und schlurfte zu einem Computer, der etwa zehn Meter entfernt in dem großen Redaktionsraum stand. Er wechselte ein paar Worte mit einer etwas fülligen Frau von gut fünfzig Jahren. Ihr langes offenes Haar war rabenschwarz, die Brille mit Tigerstreifen oval, das großblumige Sommerkleid eng anliegend. Sie schickte dem Heldenduo einen frostigen Blick, bevor sie sich wieder ihrem Computer zuwandte.
Bertilsson kam zurück. Er tippte ein Paßwort ein; Chavez betrachtete aufmerksam das Keyboardkonzert.
Er kam nicht hinein. Access denied. Er versetzte dem Monitor in einem unerwarteten Zornesausbruch einen Stoß und ging mit wesentlich erhöhter Schrittfrequenz zu der Dame zurück. Ein kurzes Palaver entspann sich in Form einer Pantomime. Die Frau hob die Arme und zog die Mundwinkel nach unten, so daß ihre massive Gestalt Verständnislosigkeit ausdrückte. Dann wurde sie von einem Erinnerungsblitz erleuchtet, tippte mit dem Finger in die Luft und stieß einen Laut aus. Bertilsson kam zurück. Ohne ein Wort zu sagen, tippte er die elektronische Hinterlassenschaft des Verschiedenen hervor.
»Jetzt können Sie uns allein lassen«, sagte Hjelm unberührt. »Verlassen Sie aber bitte nicht die Redaktion, wir müssen gleich noch ein wenig mit Ihnen sprechen.«
Chavez fühlte sich vor dem Bildschirm sofort in seinem Element. Zu einer Vorführung seiner Professionalität kam es jedoch nicht. Er grub ein wenig im Eingangs– und Ausgangskorb und konsultierte »Gelöschte Mitteilungen«, fand aber nur leere Seiten. »Nichts mehr da«, sagte er.
»Okay«, sagte Hjelm und winkte Bertilsson heran, der wie ein Hund ankam, dem Treue eingebleut worden ist.
»Warum sind alle Mails auf Hassels Rechner gelöscht?« fragte Hjelm.
Bertilsson betrachtete lieber den Bildschirm als Hjelm. Er zuckte mit den Schultern. »Er hat sie wohl selbst gelöscht.«
»Es hat nicht vielleicht jemand aufgeräumt?«
»Davon weiß ich jedenfalls nichts. Entweder müßte die Mailbox mit sämtlichen Adressen entfernt worden sein, oder alles müßte dasein. Und das ist wohl alles. Es war vielleicht seine Gewohnheit, immer alles zu löschen. Was weiß ich?«
»Es gibt keine Abkürzungen?« fragte Hjelm Chavez. »Und keine Möglichkeit, denjenigen, der sie entfernt hat, zu finden?«
»Von hier aus nicht«, sagte Chavez. »Netzwerkpapierkörbe sind nicht leicht zu handhaben.«
Weil Chavez in Zungen redete,
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