Boeses mit Boesem
Räume: Es gab ein Badezimmer zu meiner Linken und eine geschlossene Tür zu meiner Rechten, die vermutlich ins Schlafzimmer führte.
Keiner sagte etwas. Der Empfangsangestellte unten hatte meinen erzwungenen Eintritt nicht gehört oder dachte, das sei noch so etwas, das zu überhören zu seinem Job gehörte. Weder Emerson noch die Frau sahen so aus, als hätten sie es eilig, Konversation zu machen. Da ich derjenige mit den Waffen in der Hand war, war ich als Erster dran.
»Dann ist Ihre Ehe also wohl doch nicht so glücklich.«
Die Frau würde gleich losweinen. Ich sah, wie das Wasser sich in ihren Augen sammelte, und mir fiel auf, dass ihr Gesicht |320| bereits von verdünntem Eyeliner verschmiert war. Ich hatte mehr als eine Geliebte gesehen, die den Wasserhahn aufdrehte, wenn sie entdeckt wurde, aber niemals hatte eine geweint, bevor ich den Raum betrat. Was war hier vor meinem Eintreffen passiert, dass diese Frau sowohl halb nackt als auch in Tränen aufgelöst war?
»Falls Sie Geld wollen …«, begann Emerson und griff nach seiner Brieftasche.
»Nehmen Sie die Hände hinter den Rücken.«
Emerson tat wie geheißen.
»Nehmen Sie das Fernseherkabel und fesseln Sie ihn«, forderte ich die Frau auf.
In der Zimmerecke stand ein kleiner Flachbildschirm auf einem Gestell. Sie band das Kabel um Emersons Hände und machte einen Knoten. Ich überprüfte ihre Arbeit, sie war ordentlich.
»Ist hier sonst noch jemand?«
Die Frau schüttelte den Kopf.
Ich machte die Schlafzimmertür auf und winkte sie hinein. Die Frau hob die abgelegten Kleider auf, die in einem Kreis um sie herum lagen, und nahm sie mit in den Raum. Emerson sah so aus, als wollte er etwas sagen, also band ich seine handbemalte Seidenkrawatte ab und knebelte ihn damit.
Im Schlafzimmer befanden sich ein Kingsizebett, ein zweiter, an der Wand befestigter Fernseher und ein Teppich, der vor Jahren ersetzt gehört hätte. Die Frau setzte sich aufs Bett und ich schloss die Tür.
»Werden Sie mich auch vergewaltigen?«
Die Frage überrumpelte mich. Sie erklärte die Tränenspuren in ihrem Gesicht, aber im anderen Zimmer hatte es keine Anzeichen eines Kampfes gegeben. »Ich bin wegen Emerson hier«, sagte ich. »Versprechen Sie mir, nicht zu schreien, wenn ich die Pistole wegnehme?«
Sie nickte.
|321| »Wie heißen Sie?«, fragte ich.
»Jennifer«, antwortete sie und zog ihre zerknitterten Kleider an. Sie war klein und schlank und man sah den dunklen Ansatz ihrer schulterlangen blonden Haare. Ihr herzförmiges Gesicht wäre hübsch gewesen, wenn nicht so viel Schmerz darin gestanden hätte.
»Okay, Jennifer«, sagte ich. »Am besten erzählen Sie mir, wie Sie hierhergekommen sind. Fangen Sie ganz von vorne an.«
»Er« – sie brachte seinen Namen nicht heraus – »ist zu mir nach Hause gekommen, als mein Mann bei der Arbeit war. Er sagte, mein Mann sei antiamerikanischer Umtriebe verdächtig und man werde ihn verhaften.«
»Wer ist man?«
»Seine Vorgesetzten.«
»Emerson arbeitet nicht für die Strafjustiz.« Jennifer wusste nicht, wovon ich sprach. Ich vergaß, dass Zivilisten diese feinen Unterschiede nicht sahen, vielleicht weil sie nicht länger existierten. Doch das war so oder so irrelevant; soweit ich wusste, standen antiamerikanische Umtriebe nicht offiziell im Gesetzbuch. »Hat er Ihnen einen Haftbefehl gezeigt?«
»Nein, etwas anderes. Er nannte es ›Task Order‹.«
Wieder dieser Ausdruck. »Stand dort, wessen man Ihren Mann beschuldigt?«
»Ich habe es nicht verstanden«, sagte Jennifer. »Es waren lauter Codes und Zahlen.«
»Warum haben Sie ihm geglaubt?«
»Weil er von der Regierung kam«, antwortete Jennifer. »Und er hatte Fotos von uns. Dutzende von Fotos. Er hatte Abhörprotokolle von Telefongesprächen, Bankunterlagen und Aufnahmen.« Sie hielt inne, zog die Knie an und legte die Arme darum, versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. »Er hatte unser komplettes Leben.«
»Was wollte Emerson?«
|322| »Was meinen Sie wohl? Er sagte, er könnte dafür sorgen, dass das alles keine Rolle mehr spielt, wenn …«
»Wenn Sie sich hier mit ihm treffen.«
Ich wollte Ekel und Entsetzen empfinden. Das wäre die normale Reaktion auf das, was Emerson getan hatte. Es war nicht so, dass ich Jennifers Leid gegenüber gleichgültig war oder so etwas erwartet hatte. Aber der Teil von mir, der Abscheu oder Empörung ausdrücken konnte, war einfach erschöpft. »Wie lange tut er Ihnen das schon an?«
»Ungefähr seit
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