Boeses mit Boesem
trug, wohl endlich einmal angekratzt. Ich bezweifelte, dass er den Leibwächter mochte – der war schließlich nur Personal –, aber möglicherweise war er der erste ihm bekannte Mensch, dem irgendetwas Schlimmes zugestoßen war.
|325| »Werden Sie mich töten?«
»Ich hätte Ihrem Opfer die Ehre überlassen, wenn ich das vorhätte«, antwortete ich.
Vielleicht hatte Jennifer geglaubt, was ich über die schlimmere Bestrafung gesagt hatte, oder sie war einer der wenigen Menschen, die wussten, dass man sich fast niemals besser fühlt, wenn man jemand anderem Schmerz zufügt. Was auch immer der Grund war, sie hatte ein erstaunliches Maß an Beherrschung gezeigt.
»Wer sind Sie? Für wen arbeiten Sie?«, fragte Emerson.
»Ich weiß, dass Sie mit dieser Seite eines Verhörs nicht vertraut sind, aber hier stelle ich die Fragen.«
»Dieses Schreiben ist gefälscht«, sagte Emerson, aber es kam nicht von Herzen. Sein Herz lag nämlich auf dem Boden und versuchte, sich unter dem Teppich zu verkriechen. Er hatte die Mitteilung noch nicht einmal gesehen, aber das war wohl auch nicht nötig. Der Whirlpool in seinen Eingeweiden war die einzige Beglaubigung, die er brauchte.
»Wie lautet die Zahl, die neben meinem Namen steht?«
Emerson war die Sorte Mann, die auf ihren Charme baute. Wenn der einmal ausnahmsweise versagte, hatte er immer noch seine Familie in der Hinterhand. Emerson hatte nie im Leben um etwas verhandeln müssen, und seine Unerfahrenheit war unübersehbar.
»Warum wollen Sie das wissen?«, fragte ich. »Wollen Sie wissen, was man Ihnen vorwirft?« Einen Moment lang stand Verwirrung in seiner Miene und ich wusste, dass ich danebengegriffen hatte.
»Die Codes haben nichts mit dem Vergehen zu tun«, sagte er. Das alte Gefühl der Unverwundbarkeit kehrte zurück. »Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen.«
»Hundertneunundneunzig.« Das war die Zahl neben Pater Fiores Namen.
Emerson blinzelte. Er versuchte, gleichzeitig zu atmen und |326| zu schlucken, und was dabei herauskam, war ein Husten. »Ist das meine Zahl?«
Als ich die Zahlen zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich angenommen, sie seien ein Code für die Sünde des Betreffenden. Es handelte sich nicht um normale Polizeicodes – die 187 stand dort für Mord, aber keine der anderen Zahlen passte –, und so hatte ich vermutet, sie seien Hinweise auf irgendein unbekanntes Gesetz, das gebrochen zu haben man der Person vorwarf. Nach Emersons Reaktion zu urteilen war es genau andersherum: Diese drei Ziffern standen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft, die Glass für ihn vorgesehen hatte.
»Kann sein. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Sie es herausfinden können: Entweder Sie helfen mir oder Sie gehen nach Hause und warten ab.«
»Nein, nein«, sagte Emerson, zu sich selbst und nicht zu mir. »Das kann nicht sein. Man würde mich nie zum Klienten machen.«
Ein Klient. Das war der Ausdruck, den Cassandra verwendet hatte. »So nennt ihr also die Menschen, die ihr ermordet?«
»Fisher Partners ermordet keine Menschen«, erklärte Emerson. »Zumindest nicht oft.«
Fisher Partners. Das war ein weiterer Punkt für Cassandra. Emerson hatte den Namen ohne Nachhaken meinerseits verwendet, daher beschloss ich mitzuspielen. Wenn ich mich nach der Firma erkundigte, riskierte ich, wieder unwissend zu erscheinen, und ich musste Emerson überzeugen, dass ich hier die Kontrolle hatte.
»Wenn Sie mir eine vollständige Liste der Klienten geben« – das Wort schmeckte schmutzig – »erhalten Sie einen Vorsprung.«
Emerson lachte. Es war ein nervöses, verrücktes Lachen, kein Spott. Er nahm mich kaum wahr, war zu sehr in sein |327| eigenes Selbstmitleid versunken. Darin schien er sich weiter suhlen zu wollen und ich hatte keine Zeit, diesen privilegierten Sohn wieder aufzurichten.
»Die ganze Liste habe ich nicht«, sagte Emerson. »Sie ist aufgeteilt. Sonst würde ich mein Schicksal doch schon kennen, oder? Wir beschäftigen uns nur mit New York. Und selbst wenn ich die Liste hätte, würde ich sie Ihnen niemals geben.« Er verstummte und wich meinem Blick aus.
Ich ließ mir diese Schweigebehandlung nicht lange gefallen. »Okay, dann ist das hier ihre Beerdigung.« Ich stand auf und ging zur Tür.
»Wohin gehen Sie?«, fragte Emerson. »Ich bin gefesselt.«
»Genau«, antwortete ich. »Wenn Sie meine Hilfe nicht wollen, prima. Ich bin mir sicher, die Fisher-Leute wissen alles über dieses Hotel hier. Sie werden hier eintreffen,
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