Bombay Smiles
Verfügung stehen, es mit all meiner Aufmerksamkeit begleiten und unterstützen, aber ich würde mich von Angelegenheiten fernhalten, bei denen meine Hilfe nicht unbedingt erforderlich war. Nun bin ich eher fürs Organisieren zuständig, für die Koordination der einzelnen Abteilungen, für das Ausrichten von Sitzungen, für Reisen, Gespräche, die Supervision der Projekte, für den ganzen Papierkram, wobei ich mich ständig fortbilde.
Die einzelnen Abteilungen der Organisation müssen von qualifizierten Leuten verwaltet werden. Und es ist wichtig, für Sonrisas de Bombay ganz besonders, dass das Haus von einheimischem Personal, also von Indern, betreut wird.
Wir bekommen sehr viele Anfragen von Leuten, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. In dörflichen
Gegenden mit schlechterer Versorgung und Infrastruktur halte ich eine Zusammenarbeit mit Ausländern unter Umständen für vorteilhaft. Da es in Bombay mit seinen 20 Millionen Einwohnern aber recht einfach ist, eine gute Lehrerin, einen guten Ernährungswissenschaftler oder einen Arzt zu finden, ist es nicht besonders sinnvoll, gerade dort ausländische Volontäre einzusetzen.
Wenn wir alle Volontariats-Anfragen angenommen hätten, hätten heute über 300 Inder, zumeist aus den jeweiligen Gemeinden vor Ort, nicht den Arbeitsplatz, den sie durch Sonrisas de Bombay erhalten haben. Es ist wundervoll, wenn man durch ein Projekt Arbeitsplätze schaffen kann und die Menschen vor Ort einbezieht. Für die Entwicklung der Projekte ist das ebenso wichtig wie Wasser für das Gedeihen von Pflanzen.
Man muss sich vor Augen halten, dass Bombay keinesfalls eine arme Stadt ist. Es leben viele arme Menschen dort, das stimmt. Aber es gibt in Bombay auch viele Krankenhäuser, Universitäten, Apotheken - die aber nur von der Hälfte der Bevölkerung aufgesucht werden können. Wenn ich in den Vereinigten Staaten bin, sage ich immer: »Damit wir uns richtig verstehen - unsere Projekte existieren in der Bronx von Bombay.« Dann verstehen alle, was ich meine: eine entsetzlich arme und schäbige Gegend, die seit Jahrhunderten im Zentrum eines New Yorks des Orients liegt.
So wie ich gelernt habe, die Stärken jedes Menschen, der mit dem Projekt zu tun hat, allmählich zu erkennen, habe ich mein journalistisches Profil zu schärfen gelernt. Ich habe die Zusammenarbeit mit Medien sowie die Kontakte zu etlichen Institutionen wieder aufgenommen, die für unsere Arbeit sehr nützlich sein können. Schließlich habe ich nie aufgehört, Journalist zu sein. Ich würde sogar sagen, dass ich mich heute mehr denn je als Journalist fühle, weil ich dazu beigetragen habe, allen, die mir zuhören wollen, die unerträgliche Lebenssituation der Unberührbaren in Bombay näherzubringen.
Über unseren Dachverband können wir nicht nur im Internet Plattformen aufbauen, durch die wir weltweit auf die elende Situation der Bevölkerung Bombays hinweisen, sondern auch als Brückenglied zwischen internationalen Geldgebern und örtlichen Organisationen fungieren, ohne dabei direkt in das Geschehen involviert zu sein.
Für einen gemeinsamen Kampf ist es unerlässlich, Kräfte zu bündeln. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, dass es Rivalitäten zwischen einzelnen Organisationen gibt. Ich staune immer wieder darüber, dass man Zeit mit Streitereien verschwendet, anstatt seine Kraft dafür einzusetzen, anderen zu helfen.
Eine Sache gibt es aber, um die ich mich in letzter Zeit vollkommen vergeblich bemüht habe - und das ist Normalität. Ich habe versucht, der normale
junge Mann zu bleiben, der in den Orient reist, der gerne ausgeht, sich amüsiert und einer gewöhnlichen Arbeit nachgeht, einer Arbeit, die nichts Geheimnisvolles an sich hat, obwohl viele Leute der Sozialarbeit Mystisches unterstellen.
Ich bin nicht religiös, auch kein Mystiker oder Lehrmeister. Ich fühle mich mit jedem Tag unwissender und weiß wohl, dass ich noch viel lernen muss. Ich verbringe meine Tage nicht damit, durch ein Waisenhaus zu schweben, sondern arbeite genauso hart wie andere auch für Chancen und Gleichberechtigung sozial Benachteiligter, in meinem Fall der ärmsten Einwohner Bombays.
Und wenn ich zu Vorträgen oder Konferenzen eingeladen werde, will ich keine Predigten halten oder mit dem moralischen Zeigefinger drohen, sondern schlicht meine Erfahrungen weitergeben. Wer mir zuhören möchte, kann aus meinen Worten erfahren, dass man als ganz normaler Mensch, ohne besondere Fähigkeiten, ohne Ordenstracht
Weitere Kostenlose Bücher