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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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Sie gewöhnen sich an, eine Waffe zu tragen. Oder Sie lassen sich bewachen. Wir schicken Ihnen gerne eine Streife, die Sie eine Zeit lang begleitet.«
    »Was reden Sie denn da? Eine Waffe? Oder einen Leibwächter? Wer soll denn das bezahlen? Glauben Sie, wir könnten uns einen Bodyguard leisten? Wir wollen die Armut in dieser Stadt bekämpfen, dazu
brauchen wir unser Geld. Ich bin persönlich dafür verantwortlich, dass jeder Cent der Spendengelder richtig eingesetzt wird, nämlich für die Armenhilfe.«
    »Und wenn wir für die Kosten aufkommen?«
    »Auch dann nicht! Beschützen Sie doch die Kinder und Frauen in Kamathipura, aber lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Ihnen wäre es also lieber, getötet zu werden und das Projekt sich selbst zu überlassen?«
    »Was für ein Blödsinn! Wer sollte mich schon umbringen? Man hat uns ein paarmal erschreckt, bis jetzt hat mir aber noch keiner die Pistole an die Schläfe gehalten.«
    »Aber wenn es soweit kommt, ist es zu spät.«
    Die Bedächtigkeit dieser Männer, mit welcher Ruhe sie von Leben und Tod redeten, machte mich sprachlos. Ich konnte kaum glauben, dass sie um meine Sicherheit so viel Aufhebens machten, die vielen schutzlosen Menschen auf der Straße, die weit größeren Gefahren ausgesetzt waren, aber gar nicht erwähnten.
    »Klar«, fuhr ich fort, »dass ich mit dem Projekt vielen Straßenkindern helfe und dies einigen Herren gar nicht gefällt. Aber verglichen mit all den Kindern, die Leute wie X in ihrer Gewalt haben, helfen wir nur verschwindend wenigen. Meinen Sie im Ernst, ich bin X so wichtig?«
    »Für die Kinder, denen Sie helfen, interessiert er sich wahrscheinlich kaum. Es gibt ja noch genug
andere. Und dennoch gibt es Hinweise, dass Sie in Gefahr sind. Sagen Sie also nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.«
    Die Worte des Inspektors, den ich im Grunde für einen ehrlichen Kerl hielt, hallten in meinem Schädel nach wie ein Urteilsspruch. In der dem Gespräch folgenden Nacht konnte ich nicht schlafen. Angst hatte ich keine, vielmehr machte ich mir Sorgen.
    Es hat lange gedauert, bis ich mich habe überzeugen lassen. Die Polizei musste mich ein weiteres Mal warnen. Erst dann verstand ich, dass die Bedrohung real war. Den Leibwächter akzeptierte ich nur zähneknirschend, doch dachte ich da an meinen Vater, meine Großmutter, meine Freunde und Familie und an die zahlreichen Menschen, die mich immer wieder ermahnt hatten, den Polizeischutz anzunehmen.
    Ich musste mich erst daran gewöhnen, auf Schritt und Tritt überwacht zu werden. Der Leibwächter inspizierte jeden Raum, bevor ich ihn betreten durfte, lernte alle Menschen meiner näheren Umgebung kennen, wusste, welche Angestellten sich in welchen Büros aufhalten durften, wer meine Nachbarn waren. Ich musste mich daran gewöhnen, dass der Unterboden meines Wagens mithilfe eines Spiegels kontrolliert wurde, bevor ich einsteigen durfte. Der verordnete Aufpasser überprüfte jede Bewegung in meiner Nähe, es entging ihm nichts.

    Ich schämte mich für diese Vorsichtsmaßnahmen. Wenn ich an einer Versammlung teilnahm, hatte ich immer das Gefühl, eine Erklärung abgeben zu müssen. Wenn ich mit Bekannten beim Abendessen war, sagte einer von ihnen irgendwann immer: »Da hinten ist einer, der beobachtet uns die ganze Zeit.« Und damit wurde ich zum Thema des Abends.
    Glücklicherweise verhalten sich die Sicherheitsleute sehr diskret. Natürlich empfand ich sie auch manchmal als störend, zum Beispiel wenn ich mir von ihnen sagen lassen musste, an welchen Tisch oder auf welchen Stuhl ich mich im Restaurant setzen sollte. Oder weil ich einige alltägliche Dinge nicht mehr tun durfte. Keine Rikscha-Fahrten mehr - nichts mehr, was mich nur annähernd in Gefahr bringen konnte.
    Ich fing an, mich an die Maßnahmen zu gewöhnen. Auf ein paar Ausnahmen bestand ich aber dennoch:
    »Sie sollten nicht mehr durch die Slums spazieren, Sir«, sagte etwa mein Leibwächter eines Tages, als wir durch Dharavi gingen.
    »Sie werden doch dafür bezahlt, mein Leben zu schützen, oder nicht? Wenn Sie und Ihre Kollegen mir nicht mehr erlauben, den Armen zur Seite zu stehen, brauchen Sie mich auch nicht mehr zu beschützen. Wenn Sie mich von den Armen trennen, bringen Sie mich nämlich um. Die Armen sind
mein Leben. Ob es Ihnen passt oder nicht, ich werde weiterhin Tage in den Slums verbringen. Hier wird mir nichts passieren, glauben Sie mir, denn die Armen beschützen mich mit ihrer Dankbarkeit. Ich habe ihnen mein Leben gewidmet.

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