Bondage (German Edition)
Sprit.“
Nora scheint mich wirklich für blöde zu halten, habe ich den Eindruck. Nur, dass mir das langsam zu dumm wird.
„Und welche Art von Verwendung hat Carlos für die Energie aus den leylines ?“, verwende ich absichtlich den Fachbegriff für diese Linien.
Nora schnappt nach Luft. Anscheinend hat sie für einen Moment vergessen, dass ich nicht dumm bin. Klar, ich weiß, dass meine Gabe bloß eine sehr dilettantische und rudimentäre Art ist, Magie zu wirken, denn ich habe keine Ausbildung oder so was, aber dafür habe ich in den letzten Monaten verdammt viele Bücher gelesen. Seit der Sache mit Fabrice, den der „Schwulen-Killer“, wie die Presse ihn nach seinem Selbstmord im „Addiction“ in Gegenwart der Polizei, die ihn festnehmen wollte, genannt hat, umbringen wollte, sind Brix und ich nicht mehr im „Addiction“ zum Arbeiten gewesen. Das hat mir die Zeit gegeben, mich weiterzubilden.
„Keine“, antwortet Nora schnippisch. „Er übernimmt lediglich die Kontrolle über diese Knotenzentren, damit sich kein anderer Magier mehr dorther Energie holen kann. Er schafft sich ein Monopol, sozusagen.“
Mhm, das klingt interessant. Mir war klar, dass die ursprünglich in Frankfurt ansässige Hohepriesterin der „Kinder der Isis“ nicht stark genug sein würde, um sich auf Dauer gegen die Präsenz Carlos’ in ihrer Stadt zu behaupten. Sie wird einen Moment lang Schwäche gezeigt haben, und schon hat er ihr Terrain mit übernommen und zieht jetzt die Schlinge um Brix’ und meinen Hals enger. Es wird Zeit, dass wir etwas unternehmen.
„Brix“, rufe ich etwas lauter. „Kommst du bitte mal?“
Kapitel Vier
Brix
„Plopp!“
Inzwischen ist es für mich schon fast Routine, das satte Klacken, begleitet durch ein leises Zischen, mit dem die Kohlensäure des Bieres aus dem soeben geöffneten Flaschenhals entweicht, der spontan und unerwartet von seinem Bügelverschluss befreit worden ist. Es ist mein erstes Bier heute, aber in den letzten Wochen habe ich mich wieder dazu hinreißen lassen, mehr als sonst – und vor allem regelmäßiger – zu trinken.
Seit beinahe vierzehn Tagen frühstückt Nora jeden Morgen mit uns, bevor sie ins Museum geht, und berichtet uns von den Neuigkeiten und Dingen, die Carlos und seine Schergen mit der Stadt und dem Umland anrichten.
Seit Nora vor ziemlich genau zwei Wochen Shahin davon überzeugt hat, dass Carlos eine ernst zu nehmende Gefahr ist, überlegt dieser hin und her, wohin wir am besten ziehen, damit wir zumindest genügend Zeit finden, um uns ausgiebig und effektiv auf einen Krieg mit Carlos vorzubereiten, bevor er uns wieder aufspürt, um Shahin zu einem Priester seines Gottes Seth und mich zu einem besonderen Blutopfer für seinen Altar zu machen. Dass wir das „Addiction“ aufgeben und seinem Schicksal überlassen, steht für uns fest; die Einnahmen daraus erhalten wir ja sowieso als Gesellschafter der GmbH, die alleiniger Eigner der Betriebs-GmbH des „Addiction“ nebst dazugehöriger Kneipe und schwuler Sauna im Kellergeschoss ist.
Und während Shahin mit Sven und Lars, den beiden Polizisten, die inzwischen auch schon beinahe vier Monate ein Paar sind, verhandelt und mit Nora, die ihn nun schon fast zu akzeptieren scheint, Kriegsrat hält, halte ich mich eben an das, was ich kenne – mein Feierabendbier, auch wenn mein Feierabend zurzeit halt schon nachmittags ist.
Doch heute komme ich nicht dazu, mein Bierchen wie gewohnt ungestört zu mir zu nehmen, denn Lars platzt in die Küche, grinst mich schief an und nimmt mir als Erstes die Bierflasche aus der Hand. Ich schaue ihn verwundert an, während Lars einen tiefen Zug aus der Flasche nimmt und die leere Flasche dann auf die Spüle stellt.
„Nimm dir ne Eigene“, biete ich ihm an, während mir einfällt, dass ich eigentlich gerne mit Lars, Sven und Shahin mal nen Vierer machen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu ergäbe. Lars auf dem Küchentisch wär allerdings auch ne Alternative, stelle ich fest, während der mich aus der Küche herausbugsiert, in Richtung Arbeitszimmer, wo Nora und Sven uns bereits erwarten.
„Wo ist Shahin?“, frage ich verwundert, während ich mich umsehe.
„Der holt gerade was“, entgegnet Sven mir. Er scheint müde zu sein. Okay, ich kann warten. Shahin braucht auch nicht lange, und unter dem Arm hat er eine abgegriffene Chinakladde, die er auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer legt. Dann schlägt er sie auf, und sucht eine Telefonnummer heraus, die
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