Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
Vom Netzwerk:
als ein Kopf erfassen konnte. Ihr überwältigender Gestank schlug ihm entgegen: Schweiß und Dreck und zahllose unbekannte Gerüche.
    Die Ersten, die sein plötzliches Erscheinen bemerkten, erschraken vor ihm und wichen entsetzt in die Menge zurück – oder versuchten zurückzuweichen. Als könnte Stolperzunge ihnen wehtun. Als würde er es tun wollen! Er hatte viel mehr Angst als sie, war von den Geräuschen, Anblicken und Gerüchen schockiert. Ein endloses Meer aus Fremden, die gleichzeitig in zahllosen Sprachen plapperten, von denen er keine einzige verstand.
    Er hatte nicht genug Hände. Er wollte seine Ohren vor den Rufen, den hallenden Schritten, dem Scharren und Husten, dem Geflüster schützen. Aber auch seine Augen waren überfordert. Selbst wenn er sie schloss, drangen die komplizierten Details und verrückten Farben dieser Welt in sein Gehirn: Rottöne, stechendes Blau und ein intensives Gelb, wie er es in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hatte. Farben, für die sein Stamm gar keine Worte hatte. Und es gab Symbole, so realistische Bilder, als wären Menschen flach an die Wand gedrückt worden, um grazile Posen einzunehmen. Es gab auch die sprechenden Schnörkel, die er in der abgestürzten Sphäre gesehen hatte – sie wurden als Schrift bezeichnet. Die Zeichen bedeckten fast sämtliche Oberflächen, als könnte sich jemand in diesen Menschenmassen so einsam fühlen, dass er unbedingt mit den Gebäuden sprechen wollte.
    Stolperzunge fand sich auf den Knien wieder. Er zitterte und rang nach Atem, versuchte sich gegen die Menge um ihn herum zu behaupten.
    »Helft mir«, flehte er, ohne zu wissen, wen er ansprach. »Helft mir …«
    Er hatte eine kleine Bodenfläche für sich allein, da die Leute ihm auswichen. Durch die Barriere seiner Hände erreichte ihn ein Wort viel häufiger als alle anderen: »Wilder.« Das war es, was ihn schließlich wieder auf die Beine brachte. »Es ist nur Lärm«, sagte er sich. »Farben können einen nicht töten.« Trotzdem war es ein Kampf, die Augen zu öffnen und sie geöffnet zu halten, ohne zu schreien. Dabei hatte er sich früher vorgestellt, das Dach wäre ein Paradies! Wie konnten Menschen so leben?
    Er versuchte sich zu beruhigen, indem er sich orientierte, wie es jeder Jäger in einer fremden Umgebung tat. Trotzdem war ihm übel und schwindlig.
    Er stand auf etwas, das eine sehr breite Straße wäre, wenn es zwei Mannslängen über seinem Kopf keine Decke gegeben hätte. Sie spendete ein sanftes Licht, und ständig zogen schnörkelige Botschaften darüber hinweg. Manchmal wurden sie von bewegten Bildern begleitet, die zu höflichem Verhalten ermahnten und jegliche Verschwendung tadelten.
    »Bei einem Notfall langsam gehen! Nicht drängeln!«
    Auch auf den Wänden wimmelte es von Bildern, aber sie mussten sich in die Lücken zwischen den Türen und den kleinen Bäumen mit unterschiedlichsten knallbunten Blättern einpassen. Die meisten dieser Pflanzen waren im Gedränge zerquetscht und über die hellen Bilder geschmiert worden.
    Stolperzunge nahm ein paar tiefe Atemzüge. Der Gestank war das Schlimmste. Er wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden, aber er wollte auf keinen Fall ohne Indrani gehen. Nicht dass er gewusst hätte, wie er sie unter so vielen Menschen finden sollte. Vielleicht war es dumm von ihm gewesen, den weißen Raum zu verlassen. Dharam hatte behauptet zu wissen, wo sich Indrani befand, und gesagt, dass nur Stolperzunge ihr helfen konnte. Vielleicht würde er bald zurückkehren, und in diesem Fall sollte Stolperzunge so lange warten.
    Aber ein Bauchgefühl sagte dem jungen Jäger, dass er dem Mann nicht vertrauen konnte. Nicht, weil er herablassend zu Stolperzunge gesprochen hatte – so etwas taten selbst Freunde wie Steingesicht. Es hatte mehr damit zu tun, wie Dharams Blick hin und her zuckte, und wenn er von Indrani sprach, klang es, als wäre er gar kein Freund von ihr. Und warum hatte man Stolperzunge nicht gleich zu ihr gebracht, wenn Indrani ihn so dringend brauchte? Nein, er wollte nicht mehr hier sein, wenn Dharam zurückkehrte. Aber wohin sollte er gehen?
    In diesem Moment bemerkte er, dass sich ein paar jüngere Leute zu einer kleinen Gruppe zusammengeschart hatten, um ihn aus einer Entfernung anzustarren, die sie vermutlich als sicher empfanden. Sie unterhielten sich flüsternd und reagierten nicht wie die meisten Menschen mit Furcht, sondern mit Aufregung. Doch das änderte sich, als er sie einfach nur ansprach. »Helft

Weitere Kostenlose Bücher